Karlsruhe (ots) - Die Bundesanwaltschaft hat am 10. Juli 2017 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Celle Anklage gegen
den 33-jährigen irakischen Staatsangehörigen Ahmad Abdulaziz Abdullah A., den 51-jährigen türkischen Staatsangehörigen Hasan C., den 37-jährigen deutschen und serbischen Staatsangehörigen Boban S., den 28-jährigen deutschen Staatsangehörigen Mahmoud O. sowie den 27-jährigen kamerunischen Staatsangehörigen Ahmed F. Y.
erhoben. Ahmad Abdulaziz Abdullah A. ist der Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 129b Abs. 1 StGB), der Terrorismusfinanzierung (§ 89c Abs. 1 S. 1 Nr.8 StGB) sowie der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 Abs. 1 StGB) hinreichend verdächtig. Hasan C., Boban S., Mahmoud O. und Ahmed F. Y. sind angeklagt, den sogenannten Islamischen Staat jeweils in einer unterschiedlichen Anzahl von Fällen unterstützt zu haben (§ 129a Abs. 1 und Abs. 5 i. V. m. § 129b Abs. 1 StGB). Mahmoud O. und Ahmed F. Y. wird darüber hinaus zur Last gelegt, zu Betrugsstraftaten angestiftet zu haben (§ 26 i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB).
In der Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargestellt:
Die fünf Angeschuldigten bildeten ein überregionales salafistisch-jihadistisches Netzwerk, innerhalb dessen Ahmad Abdulaziz Abdullah A. als Repräsentant des sogenannten Islamischen Staates in Deutschland die zentrale Führungsposition übernommen hatte. Ahmad Abdulaziz Abdullah A., der sich auch "Abu Walaa" nennt, bekennt sich offen zum sogenannten "Islamischen Staat (IS)". Als Imam der Moschee des zwischenzeitlich verbotenen Vereins Deutscher Islamkreis Hildesheim e. V. (DIK-Moschee) predigte er radikal-islamistische Inhalte. Darüber hinaus war er aber auch bundesweit als Prediger aktiv und veranstaltete sogenannte Islamseminare in der Alkhallil-Moschee in Berlin, der Medina-Moschee in Kassel, der Fussilet-Moschee in Berlin, der As-Salam-Moschee in Frankfurt a. M. und der Ehlu Sunnah-Moschee in Bocholt. Ziel des von ihm angeführten Netzwerks war es, Personen an den "IS" nach Syrien oder in den Irak zu vermitteln. Wegen seiner direkten Kontakte zu Führungspersonen des "IS" war es Ahmad Abdulaziz Abdullah A. möglich, Einfluss auf die spätere Verwendung einiger der ausgereisten Personen innerhalb des "IS" zu nehmen. Die Angeschuldigten Hasan C. und Boban S. hatten die Aufgabe, Gleichgesinnten und Ausreisewilligen neben der arabischen Sprache auch radikal-islamische Inhalte zu lehren. Der Unterricht diente dazu, die ideologischen und sprachlichen Grundlagen für eine zukünftige Tätigkeit beim "IS", insbesondere für die Teilnahme an Kampfhandlungen, zu schaffen. Dem Angeschuldigten Ahmad Abdulaziz Abdullah A. war es vorbehalten, Ausreisen zu billigen und zu organisieren, wobei er mit der konkreten Umsetzung die Angeschuldigten Mahmoud O. und Ahmed F. Y. beauftragte.
Konkret organisierte das Netzwerk um Ahmad Abdulaziz Abdullah A. die nachfolgenden Ausreisen zum "IS" nach Syrien oder in den Irak:
1. Im Sommer 2014 reiste Fadil Rudolf S. mit der Hilfe von Ahmad Abdulaziz Abdullah A., Hasan C. und Boban S. nach Syrien aus. Unter anderem vermittelten die drei Angeschuldigten Fadil Rudolf S. den Kontakt zu einem Mittelsmann des "IS", der seine Schleusung von der Türkei nach Syrien übernahm. Am 3. November 2016 verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf Fadil Rudolf S. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten (Pressemitteilungen Nummer 37 vom 8. Oktober 2015 und Nummer 8 vom 16. Februar 2016 sowie Pressemitteilung Nummer 34 des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. November 2016).
2. Ebenfalls im Sommer 2014 gelangten Mark und Kevin K. durch die Vermittlung von Ahmad Abdulaziz Abdullah A., Hasan C. und Boban S. in das Herrschaftsgebiet des "IS". Dort angekommen schlossen sich die beiden als Kämpfer der Terrororganisation an. Mark K. beteiligte sich im März 2015 an einem Angriff auf einen Stützpunkt der irakischen Armee. Er sprengte sich als Selbstmordattentäter in die Luft und tötete dadurch mindestens zwölf Regierungssoldaten. Kevin K. sprengte sich einen Monat später bei einem Angriff auf ein Hauptquartier der irakischen Armee in einem mit Sprengstoff beladenen Militärfahrzeug ebenfalls in die Luft. Bei dem Angriff kamen insgesamt etwa 140 Regierungssoldaten ums Leben.
3. Im Sommer 2014 half Hasan C. Muhamed H. bei dessen Ausreise in das Territorium des "IS". Konkret besorgte er Muhamed H. ein Flugticket für Mitte August nach Gaziantep/Türkei. Kurze Zeit später erreichte Muhamed H. das vom "IS" beherrschte Gebiet und schloss sich dort der Terrororganisation an.
4. Im Herbst 2014 unterstützte Ahmad Abdulaziz Abdullah A. Martin L. bei dessen Ausreise nach Syrien. Unter anderem steuerte Ahmad Abdulaziz Abdullah A. 2.000 Euro zur Finanzierung der Reisekosten bei. Anfang November 2014 flog Martin L. nach Istanbul/Türkei und schloss sich - wie beabsichtigt kurze Zeit später in Syrien dem "IS" an. Dank der Fürsprache und der Kontakte von Ahmad Abdulaziz Abdullah A. innerhalb des "IS" gelang es Martin L., im Sicherheitsapparat des "IS" Fuß zu fassen. Letzten Erkenntnissen zufolge war Martin L. für die Überwachung von aus Deutschland kommenden "IS"-Mitgliedern zuständig.
5. Im Dezember 2014 schleusten Ahmad Abdulaziz Abdullah A. und Hasan C. Soner A. über die Türkei nach Syrien. Dort schloss sich Soner A. einer Kampfgruppe des "IS" an.
6. Im Sommer 2015 beabsichtigte Anil O., ein Schüler von Hasan C. und Boban S., gemeinsam mit Yunus S. nach Syrien auszureisen und sich dort dem "IS" anzuschließen. Hasan C. und Boban S. vermittelten Anil O. und Yunus S. an Ahmad Abdulaziz Abdullah A. Ahmad Abdulaziz Abdullah A. sagte ihnen seine Unterstützung zu. Wegen der organisatorischen Einzelheiten ihrer Ausreise verwies er sie an Mahmoud O. und Ahmed F. Y. Die beiden Angeschuldigten wiesen Anil O. und Yunus S. an, zur Finanzierung ihrer Ausreise hochwertige Mobilfunkgeräte oder Computer zu erschwindeln. Anil O. und Yunus S. schlossen daraufhin in betrügerischer Absicht mehrere Kaufverträge über insgesamt vier Smartphones. Anfang August 2015 übergaben sie Mahmoud O. und Ahmed F. Y. insgesamt fünf Smartphones und ein Laptop. Im Gegenzug erhielten sie einen vierstelligen Bargeldbetrag. Zudem erhielten Anil O. und Yunus S. von Mahmoud O. und Ahmed F.Y. die Kontaktdaten zweier "IS"-Mitglieder, die ihnen in der Türkei und vor Ort in Syrien weiterhelfen sollten. Anfang August 2015 traten Anil O. und Yunus S. auf unterschiedlichen Routen ihre Reise zum "IS" nach Syrien an. Yunus S. brach seine Reise jedoch aus familiären Gründen in der Türkei ab. Anil O. traf Ende August 2015 beim "IS" ein und schloss sich der Terrororganisation an. Abgestoßen von dem brutalen und menschenverachtenden Vorgehen des "IS" beschloss Anil O. allerdings im September 2015, von dort wieder zu fliehen. Im Januar 2016 gelang ihm die Flucht in die Türkei. Bei seiner Rückkehr nach Deutschland im September 2016 wurde er wegen des dringenden Tatverdachts der Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS)" festgenommen (vgl. Pressemitteilung Nummer 47 vom 24. September 2016 und Nummer 26 vom 16. März 2017). Am 15. Mai 2017 wurde er vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Ermittlungen fußen unter anderem auf den Angaben einer sogenannten Vertrauensperson. Ihr wurde hinsichtlich ihrer Identität von der Bundesanwaltschaft Vertraulichkeit zugesichert. Die Vertrauensperson stand in engem Kontakt zu den fünf Angeschuldigten. Ihre Angaben waren von maßgeblicher Bedeutung für die Ermittlungen und bildeten die Grundlage für Durchsuchungsmaßnahmen am 10. August 2016. In den Augen von Ahmad Abdulaziz Abdullah A. war die Vertrauensperson damit ein Verräter. Vor diesem Hintergrund rief Ahmad Abdulaziz Abdullah A. Mitte September 2016 über einem Messengerdienst dazu auf, sie zu töten.
Die fünf Angeschuldigten wurden am 8. November 2016 festgenommen (vgl. Pressemitteilung Nummer 55 vom 8. November 2016) und befinden sich seither in Untersuchungshaft.
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA)
Frauke Köhler
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