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Schwerin (ots) - Die Politisch motivierte Kriminalität in Mecklenburg-Vorpommern war im Jahr 2015 durch folgende wesentliche Eckwerte gekennzeichnet:
Deutlicher Anstieg der Gesamtfallzahlen Politisch motivierte Kriminalität von 1.001 auf 1.259 Delikte (+25,8 %)
Deutlicher Anstieg der Straftaten im Phänomenbereich "Rechts" um 49,8 %
Erhebliche Zunahme der Gewaltdelikte im Phänomenbereich "Rechts" und "Links"
Hasskriminalität bildet einen klaren Schwerpunkt
Aufklärungsquote weiter gestiegen
"Im vergangenen Jahr haben Quantität wie Qualität der politisch motivierten Kriminalität im Vergleich zum vorherigen Jahr eine deutliche Steigerung erfahren. Der nach wie vor hohe Anteil der Politisch motivierten Kriminalität "Rechts" an allen Straftaten macht hier deutlich, dass in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin nicht von einem Rückgang der polizeilich relevanten Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene ausgegangen werden kann", betont Innenminister Lorenz Caffier bei der Vorstellung des Jahresberichts 2015 über die Politisch motivierte Kriminalität in Mecklenburg-Vorpommern. "Rechtsextremisten versuchen mit populistischen Themen wie "Ausländergewalt", "Asylmissbrauch" oder die vermeintliche "Islamisierung" breite Teile der Bevölkerung zu erreichen. Die Unterbringung von Geflüchteten bildet dabei ein zentrales Element. Gerade in diesem Zusammenhang zeigt sich der "Erfolg" rechtsextremistischer Hetze. Die geschürten Ängste schlagen vermehrt in Hass um, der auch in den bundesweit erheblich angestiegenen Straftaten gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte zum Ausdruck kommt. Die Sicherheitsbehörden Mecklenburg-Vorpommerns befassen sich intensiv mit dieser Problematik und beobachten die Aktivitäten sowohl in der "realen Welt" als auch in sozialen Netzwerken."
Die Eckdaten im Überblick
Fallentwicklung
Im Jahre 2015 wurden insgesamt 1.259 Straftaten im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität erfasst. Im Vergleich zum Vorjahr mit 1.001 Fällen ist damit ein deutlicher Anstieg um 258 Delikte oder um 25,8 % zu verzeichnen. Diesen 1.259 Fällen der PMK stehen 117.261 Straftaten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) gegenüber. Der Anteil der politisch motivierten Straftaten liegt damit bei einem Prozent (1,07 %).
Aufklärungsquote
Die polizeiliche Aufklärungsleistung gilt als wichtiger Maßstab für die Bewertung und letztlich den Erfolg der Polizeiarbeit. Im Hinblick auf die vergleichsweise niedrige Aufklärungsquote von 30,8 % im Jahr 2012 war es daher ein wichtiges Ziel, die Aufklärungsquote schrittweise deutlich zu erhöhen. Daher wurden im Rahmen eines landesweit abgestimmten Ansatzes, durch ein zielgerichtetes Vorgehen konzeptionelle Maßnahmen zur besseren Aufklärung politisch motivierter Straftaten umgesetzt. Bereits im Jahr 2013 konnte die Aufklärungsquote so auf 38,9 % gesteigert werden. Die entsprechenden Maßnahmen haben also gegriffen. Für das Jahr 2014 konnten 48,0 in 2015 nunmehr eine Aufklärungsquote von 53,3 % erreicht werden. Dieses Ergebnis kann sich auch im Bundesmaßstab sehen lassen (AQ PMK Bund: 2014: 42,6 %; 2013: 44,6 %). Gewaltdelikte
Der Anteil der Gewaltdelikte an allen PMK-Delikten beträgt 12,8 %. Bei diesen Delikten handelt es sich überwiegend um Körperverletzungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch.
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 161 politisch motivierte Gewaltdelikte und damit mehr als doppelt so viel wie 2014 registriert. 94 dieser Gewalttaten sind der PMK "Rechts", 63 der PMK "Links" und 4 der PMK "Ausländer" zuzuordnen. 102 dieser Gewaltdelikte konnten aufgeklärt werden. Damit liegt hier die Aufklärungsquote mit 63,3 % deutlich über der Aufklärungsquote aller PMK-Straftaten. Die Begehung von Gewaltdelikten stand im engen Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen im Land. Allein 89 Gewaltdelikte wurden im Zusammenhang mit Demonstrationen erfasst.
Propagandadelikte
Bei 46,7 %, aller registrierten Fälle, handelt es sich um Propagandadelikte, die insbesondere durch das Schmieren von Naziparolen oder Hakenkreuzen begangen wurden. Mit 588 Propagandadelikten wurden insgesamt 41 Propagandadelikte mehr als im Jahr 2014 (547) registriert. Das ist ein Anstieg von 7,5 %.
Tatverdächtige
Insgesamt konnten 1.125 Tatverdächtige (2014: 792) ermittelt werden, darunter 157 Gewalttäter und 17 nichtdeutsche Tatverdächtige. Zu 620 dieser Personen lagen bereits polizeiliche Erkenntnisse aus dem Bereich der Politisch motivierten Kriminalität und/oder der Allgemeinkriminalität vor. Damit sind über die Hälfte aller Tatverdächtigen (55,1%) bereits polizeilich bekannt gewesen.
340 Tatverdächtige, das sind 30,2 %, zählen zur Altersgruppe der unter 21 Jährigen. Wie schon in den Vorjahren liegt der Anteil dieser Altersgruppe im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität damit deutlich höher als im Bereich der Allgemeinkriminalität. Dort betrug er im vergangenen Jahr 18,8 %.
2 Entwicklung in den Phänomenbereichen
PMK - Rechts
Mit einem Anteil von 82 % an allen PMK- Straftaten dominieren, wie in den Vorjahren auch, die Fälle im Phänomenbereich "Rechts". Insgesamt wurden 1.032 Straftaten für das Jahr 2015 gemeldet. Gegenüber 2014 mit 689 Straftaten war somit ein deutlicher Anstieg um 343 Fälle zu registrieren.
Von den 1.032 Straftaten konnten im Phänomenbereich "Rechts" 543 Straftaten aufgeklärt und 712 Tatverdächtige, darunter 104 Gewalttäter, ermittelt werden. Die Aufklärungsquote liegt damit insgesamt bei 52,6 %. Im Jahr 2014 lag diese noch bei 49,2 %.
Im Bereich der PMK "Rechts" muss ein besonderes Augenmerk auf das Themenfeld "Hasskriminalität" gelegt werden. Hierzu zählen insbesondere die fremdenfeindlichen und antisemitischen Straftaten. Für das Themenfeld "Hasskriminalität" insgesamt ist ein deutlicher Anstieg um 232 auf 336 Fälle im Jahr 2015 zu verzeichnen. Dabei stieg allein die Zahl der fremdenfeindlich motivierten Straftaten von 62 auf 313 Fälle. Bei den Sachverhalten mit antisemitischer Motivation ist ein leichter Rückgang von 28 auf 19 Fälle gegenüber dem Vorjahr festzustellen. Ausgehend von der Deliktsspezifik sind dem Thema Hasskriminalität 94 Fälle der Internetkriminalität und 60 Gewaltdelikte zuzuordnen.
Bei den rechten Gewaltdelikten wurden mit 94 Fällen insgesamt 59 Straftaten mehr als im Vorjahr registriert. Das entspricht einem Anstieg um 168,6 %. Diese deutliche Steigerung lässt sich unter anderem mit den im zweiten Halbjahr zunehmenden asylkritischen Versammlungen erklären. So wurden allein im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen 36 Gewaltdelikte für das Jahr 2015 registriert. 11 Gewaltdelikte standen im Zusammenhang mit Asylunterkünften. Den Schwerpunkt bildeten mit 72 Straftaten die Körperverletzungen. Die Gewaltdelikte richteten sich in 26 Fällen gegen den politischen Gegner und in 14 Fällen gegen die Polizei. Bei 57 Fällen handelte es sich um Übergriffe mit fremdenfeindlichem Hintergrund. 60 dieser Gewaltdelikte konnten aufgeklärt werden. Damit betrug die Aufklärungsquote 63,8 %.
Mehr als die Hälfte (54,7 %) aller Straftaten im Phänomenbereich "Rechts" sind Propagandastraftaten. Die Anzahl ist gegenüber dem Vorjahr von 520 auf 565 Fälle gestiegen. Die Aufklärungsquote beträgt hier 43,9 %.
Bei den übrigen 373 Straftaten handelte es sich unter anderem um Volksverhetzung, Sachbeschädigung, Beleidigung sowie um Verstöße gegen das Versammlungsgesetz.
Im vergangenen Jahr kam es in unserem Bundesland zu insgesamt 49 politisch motivierten Straftaten im Zusammenhang mit Asylbewerberunterkünften (2014: 9 Fälle). Bei den meisten Delikten im Zusammenhang mit Flüchtlings- und Asylbewerberunterkünften handelt es sich um Sachbeschädigung, Volksverhetzung, Bedrohung, Beleidigung, Verwenden verfassungswidriger Symbole. Unter den genannten Straftaten waren im Jahr 2015 insgesamt 7 Branddelikte, drei an Wohnhäusern, drei an geplanten Asylbewerberunterkünften und eine Brandstiftung in unmittelbarer Nähe einer Asylbewerberunterkunft, wo ein Sperrmüllhaufen und eine Mülltonne entzündet wurden. Personen wurden bei diesen Straftaten nicht verletzt. Bei Betrachtung aller Tatumstände ließen sich die 48 Straftaten dem Phänomenbereich "Rechts" zuordnen. Es konnten insgesamt 18 Straftaten aufgeklärt werden. Das entspricht einer Aufklärungsquote von 36,7 %.
Bei den rechtsextremistischen Musikveranstaltungen ist gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg von 20 auf 25 Veranstaltungen festgestellt worden. Gleichzeitig nahmen auch die Teilnehmerzahlen von rund 1.720 in 2014 auf ca. 2.350 Personen im vergangenen Jahr zu. Zwei Veranstaltungen konnten 2015 durch entsprechende Verfügungen im Vorfeld verboten werden.
PMK - Links
Im Phänomenbereich "Links" ist ein Rückgang der Straftaten um 13,2 % festzustellen. Gegenüber dem Vorjahr, mit 190 Fällen, wurden im Jahr 2015 insgesamt 165 Straftaten erfasst. Hier wurden 94 Straftaten aufgeklärt. Das entspricht 57,0 %, wobei 349 Tatverdächtige, davon 47 Gewalttäter, ermittelt wurden.
Ein sehr deutlicher Anstieg ist in diesem Bereich bei den Gewaltdelikten zu verzeichnen. Mit 63 solcher Straftaten wurden insgesamt 29 Gewaltdelikte mehr als im Vorjahr (+85,3 %) registriert. Damit war quasi jede dritte Straftat in diesem Phänomenbereich eine Gewalttat.
"Es ist festzustellen, dass die linksextremistischen Gewalttaten einen Höchststand erreicht haben. Nur zum G8-Gipfel 2007 wurden mehr derartiger Straftaten registriert", so Innenminister Caffier. "Diese Entwicklung ist maßgeblich auf Gegendemonstrationen bei asylkritischen Veranstaltungen der rechten Szene zurückzuführen."
Mit 36 Fällen bildeten Körperverletzungen und 13 Widerstandsdelikte den Schwerpunkt. Im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen wurden 31 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz registriert. Es handelte sich dabei überwiegend um Taten mit Bezug zu den Themenfeldern "Konfrontation/politische Einstellungen/gegen "Rechts".
38 der 63 Gewaltdelikte konnten aufgeklärt werden. Die Aufklärungsquote in diesem Deliktbereich beträgt damit 60,3 %.
Bei den verbleibenden 100 Delikten der PMK "Links" handelt es sich vor allem um Sachbeschädigungen, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz sowie Beleidigungen.
Innenminister Caffier: "Die dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnenden Straftaten richteten sich hauptsächlich gegen den politischen Gegner oder gegen den Staat und seine Einrichtungen. In der linken Szene werden Angriffe auf Personen, mit dem Ziel diese zu verletzen, als legitimes Mittel im Kampf gegen den politischen Gegner angesehen. Häufig wird in der öffentlichen Meinung Verständnis für die Motive gewaltbereiter Linksextremisten gezeigt. Linksextremistische Gewalt wird von vielen als weniger bedrohlich empfunden. Die Verfolgung der Straftaten sogar teilweise als angebliche Kriminalisierung durch den Staat wahrgenommen."
"Diese Sichtweise verharmlost die Herausbildung verschiedener Formen des Linksextremismus als logische und notwendige Gegenreaktion auf den Rechtsextremismus. Linksextremistische Gewalt darf aber nicht verharmlost werden", warnt Innenminister Caffier. "Ihr ist mit ebenso starker Konsequenz zu begegnen wie rechter Gewalt." PMK - Ausländer
Für das Jahr 2015 wurden 12 Fälle im Bereich der Politisch motivierten Ausländerkriminalität erfasst (2014: 11 Fälle). Darunter waren vier Gewaltstraftaten (Körperverletzungen), die alle aufgeklärt werden konnten. Insgesamt wurden 10 der 12 Straftaten in diesem Phänomenbereich aufgeklärt. Das entspricht einer Aufklärungsquote von 83,3 %. Insgesamt wurden in diesem Phänomenbereich 17 Tatverdächtige ermittelt, unter ihnen 6 Gewalttäter.
Staatsschutzkriminalität - nicht zuzuordnen
Die Anzahl der Fälle, die keinem der vorgenannten Phänomenbereiche zugeordnet werden konnten, sank deutlich von 111 Fällen in 2014 auf nunmehr 50 Fälle. 24 dieser Straftaten wurden aufgeklärt, das entspricht einer Aufklärungsquote von 48 %. Gewaltdelikte wurden in diesem Phänomenbereich 2015 nicht registriert.
"Der besonders hohe Anteil der Politisch motivierten Kriminalität "Rechts" an allen Straftaten macht deutlich, Welche Gefahr von dieser fremdenfeindlichen Agitation ausgeht", so Innenminister Lorenz Caffier. " Das zeigte sich bundesweit sehr deutlich in den Angriffen auf Asylbewerberunterkünfte."
PMK Internet
Ein weiteres Phänomen, welches im Jahr 2015 an Bedeutung gewann, zeigt sich an Hand der Straftaten im Zusammenhang mit dem Tatmittel Internet, einschließlich sozialer Netzwerke. Insgesamt wurden im Vorjahr 206 Straftaten mit dem Tatmittel Internet registriert (2014: 118). Im Zusammenhang mit der gestiegenen Zuwanderung im Spätsommer 2015 hat sich insbesondere die sogenannte "Hatespeech" auf Facebook-Seiten der rechtsextremistischen Szene in Mecklenburg-Vorpommern deutlich erhöht. 193 derartiger Straftaten wurden allein der PMK "Rechts" zugeordnet.
"Die geistigen Brandstifter haben das Internet längst für sich erschlossen und nutzen dieses als Kommunikationsplattform und zur Verbreitung ihres extremistischen Gedankenguts", stellt Innenminister Caffier fest. "Unverblümt zeigen sich Wut und Hass gegen Flüchtlinge und Politiker."
Islamistischer Extremismus
In der Bundesrepublik Deutschland ist eine anhaltend hohe abstrakte Gefahr im Hinblick auf Anschläge des islamistischen Extremismus/Terrorismus zu konstatieren. Diese Gefahr kann sich auch in Einzelsachverhalten nach dem Vorliegen konkreter Erkenntnisse zu einer temporären Erhöhung der Gefährdung entwickeln. Für Mecklenburg-Vorpommern belegen die in den letzten Jahren bearbeiteten Einzelsachverhalte das Vorhandensein von Bezügen zum Ausländerextremismus/ islamistischen Terrorismus. Fünf der in 2015 der PMK "Ausländer" zugeordneten Straftaten wiesen Bezüge zum Islamismus und insbesondere zum sogenannten "Islamischen Staat" auf. Darüber hinaus wurden zu 17 Gefahrensachverhalten Ermittlungen gemäß Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern mit Bezug zum islamistischen Terrorismus geführt.
Fazit:
"Vor dem Hintergrund des erhöhten Fallaufkommens in der Politisch motivierten Kriminalität, den steigenden Anforderungen an die Ermittlungen sowie in Anbetracht der Gefährdungslage werden personelle Verstärkungen der Staatsschutzkommissariate der Kriminalpolizeiinspektionen und der entsprechenden Organisationseinheiten im Landeskriminalamt umgesetzt. Darüber hinaus ist vorgesehen, zwei Islamwissenschaftler für die Landespolizei einzustellen. Diese und weitere Schritte sind notwendig, damit wir gut gewappnet sind für die weiteren Herausforderungen bei der Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität", hält Innenminister Caffier abschließend fest.
Rückfragen bitte an:
Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern
Pressestelle
Michael Teich
Telefon: 0385/588-2008
E-Mail: michael.teich@im.mv-regierung.de
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Quelle: news aktuell / dpa