Angriffe auf Polizeibeamte und Ladengeschäfte in der Innenstadt – Fragen und Antworten zu den Hintergründen der Recherchen der Ermittlungsgruppe Eckensee

Der Stuttgarter Polizeipräsident hat in einer Gemeinderatssitzung am vergangenen Donnerstagabend (09.07.2020) Einzelheiten über aktuelle Rechercheanfragen hinsichtlich eines möglichen Migrationshintergrundes bei identifizierten Tatverdächtigen erläutert. Bezüglich dieser Recherchen erreichen uns seitdem von den Bürgerinnen und Bürgern zahlreiche Anfragen, welche wir in dieser Pressemitteilung beantworten wollen.

Worauf erstrecken sich die Ermittlungen der Ermittlungsgruppe Eckensee? Das Hauptaugenmerk der Ermittlungsgruppe Eckensee, die unmittelbar nach den Ausschreitungen in der Stuttgarter Innenstadt am 22.06.2020 eingerichtet wurde, besteht in der Identifizierung der noch unbekannten Täter sowie der Zuordnung der einzelnen Straftaten. Kurz gesagt: Wer hat was gemacht? Sobald sich ein Tatverdacht gegen eine identifizierte Person erhärtet, bekommt diese die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Die Strafprozessordnung sieht dabei eine Vernehmung zur Person sowie die Vernehmung zur eigentlichen Sache vor. Bei der Vernehmung zur Person werden neben den vollständigen Personalien z.B. auch Informationen über die Einkommensverhältnisse, die Familiensituation, aber auch die Schulbildung sowie ein möglicher Migrationshintergrund erhoben. Der Beschuldigte hat das Recht, sich nicht zu äußern.

Welche Ermittlungen werden zum Migrationshintergrund durchgeführt und in welchem Umfang? Laut Statistischem Bundesamt hat eine Person einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. Daran orientieren sich im Einzelfall die polizeilichen Ermittlungen, ggf. auch durch Anfragen bei den jeweiligen Standesämtern. Weitergehende Ermittlungen finden nicht statt.

Warum könnte ein möglicher Migrationshintergrund relevant sein? Diese Frage muss aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Die justizielle sowie die präventive Perspektive.

Mit den ermittelten Lebens- und Familienverhältnissen des Tatverdächtigen können sich die Staatsanwaltschaft sowie eine mögliche spätere Richterschaft ein Bild des Angeklagten machen. Dieses Bild dient zum einen dazu, die Tat in den richtigen Kontext zu bringen. Zum anderen können persönliche Lebensumstände in eine mögliche Sanktionierung mit einfließen. Insbesondere bei Strafsachen von Jugendlichen ist die Überprüfung der Lebens- und Familienverhältnisse Aufgabe der Jugendhilfe im Strafverfahren und dient der Staatsanwaltschaft und den Jugendgerichten als Entscheidungshilfe. In der Gesamtschau spielt es immer eine Rolle, welche Kindheit (Gewalterfahrung, Familiensituation, Schulabschluss, Beruf und Ausbildung etc.) der Jugendliche hatte, da im Jugendstrafrecht zunächst der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht, um einer erneuten Straffälligkeit des Jugendlichen entgegen zu wirken.

Präventive Maßnahmen orientieren sich in erster Linie an den persönlichen Umständen des Tatverdächtigen. Bei Jugendlichen und Heranwachsenden sind maßgeschneiderte Präventionskonzepte für einen langfristigen Erfolg entscheidend. Im Falle der Ausschreitungen sind Zweidrittel der bislang identifizierten Tatverdächtigen Jugendliche und Heranwachsende.

Werden solche Recherchen nur in Fällen der Ermittlungsgruppe Eckensee durchgeführt? Die Vernehmung zur Person und die damit erhobenen Informationen über die Lebens- und Familienverhältnisse können bei allen eingeleiteten Ermittlungsverfahren erhoben werden. Es erfolgt jedoch stets eine Einzelfallbewertung. Im Falle von Jugendlichen müssen die Erziehungsberechtigten über das eingeleitete Ermittlungsverfahren informiert werden. Die Erhebung der Personalien der Erziehungsberechtigten gehört in Jugendstrafsachen somit zwingend dazu.

Ist Prävention Aufgabe der Polizei? Prävention ist die zentrale Kernaufgabe der Polizei. Ziel der Polizei ist es und wird es immer sein, Straftaten gar nicht erst geschehen zu lassen. Begehen Kinder, Jugendliche oder Heranwachsende eine Straftat, so ist es von größter Bedeutung, mit Präventionskonzepten der Begehung von weiteren Straftaten entgegenzuwirken. Federführend sind hier allerdings die Jugendgerichtshilfen. Auch im Erwachsenenstrafrecht steht unter anderem die Resozialisierung im Fokus der justiziellen Maßnahmen.

Welche konkreten Präventionsmaßnahmen führt die Polizei durch? Das Angebot der polizeilichen Präventionsarbeit ist zahlreich und vielfältig. Die Themen erstrecken sich dabei auf die Hauptfelder Verkehrsprävention und Kriminalprävention. Gerade im Hinblick auf die Jugendprävention arbeiten die Präventionsbeamten mit den Jugendämtern eng zusammen und werden oftmals von gemeinnützigen Institutionen und Vereinen unterstützt. Präventionsmaßnahmen können Gebote und Verbote sein, die der Erziehung dienen sollen.

Warum ist der Migrationshintergrund für Präventionsmaßnahmen relevant? Um adäquate und zielgerichtete Lösungsansätze bei begangenen Straftaten zu bieten, ist es unabdingbar, die persönlichen Hintergründe eines Tatverdächtigen zu kennen. Nur so können Präventionskonzepte für einen längerfristigen Erfolg entwickelt werden.

Das Wortlautprotokoll aus der Gemeinderatssitzung des Polizeipräsidenten Franz Lutz ist unter dem folgenden Link auf der Homepage der Stuttgarter Polizei zu finden: https://ppstuttgart.polizei-bw.de/?p=3958&preview=true

Rückfragen bitte an:

Polizeipräsidium Stuttgart
Pressestelle
Telefon: 0711 / 8990 - 1111
E-Mail: stuttgart.pressestelle@polizei.bwl.de
Bürozeiten: Montag bis Freitag 06.30 Uhr bis 18.00 Uhr

Außerhalb der Bürozeiten:
Telefon: 0711 8990-3333
E-Mail: stuttgart.pp@polizei.bwl.de

http://www.polizei-bw.de/