Gemeinsame Pressemitteilung der Operational Task Force (OTF) „Keyless-Go“ vom 22.12.2023
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Heilbronn / Litauen: Litauische Tätergruppierung durch Task Force zerschlagen - Professionelle Fälscherwerkstatt ausgehoben
Durch die enge Zusammenarbeit der Kriminalpolizeidirektion des Polizeipräsidiums Heilbronn, der Kriminalpolizei Klaipeda in Litauen, den Staatsanwaltschaften in Heilbronn und Litauen sowie durch Unterstützung von Europol und Eurojust gelang es Ermittlerinnen und Ermittlern einer so genannten Task Force, eine international agierende Tätergruppierung zu überführen. Neben mehreren ausführenden Tätern von Fahrzeugdiebstählen konnten auch die Hintermänner der Gruppierung identifiziert werden. Diese wurden im Rahmen eines gemeinsamen "Actiondays" am 19. Dezember 2023 in Litauen aufgrund europäischer Haftbefehle festgenommen.
Vorausgegangen waren umfangreiche Ermittlungen, die beim Arbeitsbereich Seriendelikte der Kriminalinspektion 2 des Polizeipräsidiums in Heilbronn geführt wurden, nachdem dort im Jahr 2019 vor dem Hintergrund eines starken Anstiegs von Pkw-Diebstählen eine Ermittlungsgruppe eingerichtet worden war.
Zunächst konnte ein mittlerweile 27-jähriger Litauer als Fahrer eines in der Nacht vom 17. auf den 18.02.2019 in Nordheim (Landkreis Heilbronn) entwendeten Fahrzeugs identifiziert werden. Zwei weitere in dieser Nacht in Nordheim entwendete Fahrzeuge wurden noch im Februar 2019 durch polnische Polizeikräfte in einer Garage in Czeladz (Polen) sichergestellt. Eines der Fahrzeuge war bereits in seine Einzelteile zerlegt worden. In der Garage nahmen die Einsatzkräfte mehrere Personen aus Weißrussland fest, die dort als Mechaniker tätig waren. Der 27-Jährige wurde im weiteren Verlauf im August 2020 aufgrund eines in dieser Sache vom Amtsgericht Heilbronn erlassenen Haftbefehls festgenommen.
Hierbei wurde in dem von ihm genutzten Pkw Equipment aufgefunden, das zum Überwinden von Keyless-Go-Systemen dient. Die hierauf vorgenommenen Folgeermittlungen führten zur Zuordnung von insgesamt 14 einschlägigen Einzeltaten, sodass keine Zweifel an der Täterschaft des Festgenommenen bestanden, der in dieser Sache beim Amtsgericht Heilbronn wegen schwerem Bandendiebstahl zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt wurde.
Weitere Taten konnten dem nun Verurteilten zugeordnet werden, nachdem Einsatzkräfte im Oktober 2020 zwei entwendete Keyless-Go-Fahrzeuge in einem Mietgaragenpark in Bühl sichergestellt hatten. Insgesamt sieben weitere Taten brachten die Ermittlerinnen und Ermittler mit diesen als Versteck genutzten Garagen in Verbindung, die mit den Personalien eines bereits verstorbenen litauischen Staatsangehörigen angemietet worden waren. Die Mietzahlungen erfolgten über einen britischen Finanzdienstleister. Durch verdeckt geführte Ermittlungsmaßnahmen konnte die Person, die die Mietzahlungen veranlasste, identifiziert werden. Von besonderer Bedeutung war, dass diese Person auch die Garage in Polen angemietet hatte, in der zwei der in Nordheim entwendeten Fahrzeuge aufgefunden worden waren. Hierauf wurden die Ermittlungen intensiviert, was in der Folge zur Feststellung einer über mehrere Landesgrenzen hinweg agierenden Tätergruppierung führte.
Um diese international agierende Gruppierung zu zerschlagen, wurden die weiteren Ermittlungen der Kriminalpolizei des Polizeipräsidiums Heilbronn in der Folge in enger Zusammenarbeit mit Europol und der Kriminalpolizei Klaipeda in Litauen fortgesetzt. Sie führten unter anderem zur Identifizierung der obersten Führungsebene der Gruppierung, die auch in weiteren Kriminalitätsfeldern wie beispielsweise dem internationalen Rauschgiftschmuggel, der Geldwäsche und der Fälschungskriminalität aktiv war.
Um die Bandenstruktur vollständig aufzuhellen und insbesondere die Verstrickung der Hintermänner in die kriminellen Aktivitäten belegen zu können, wurde im Januar 2023 auf Initiative der Kriminalpolizeidirektion Heilbronn die Operational Task Force (OTF) "Keyless-Go" eingerichtet. Ziel war insbesondere, die internationale Zusammenarbeit weiter zu stärken und zu optimieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der OTF, des Polizeipräsidiums Heilbronn, der Kriminalpolizei in Klaipeda und Europol werteten unter anderem umfangreiche verschlüsselte Chats (mehrere hunderttausend Datensätze) aus. Außerdem richteten sich Maßnahmen gegen bereits identifizierte Bandenmitglieder in Litauen. Neben Hintermännern wurden hierdurch in der Folge auch ausführende Täter und Fälscher identifiziert sowie Fälscherwerkstätten lokalisiert.
Durch die umfangreichen Ermittlungen gelang es auch, dem Hintermann der Gruppierung die Beteiligung an insgesamt 27 Einzeltaten mit Tatorten im Bundesgebiet (unter anderem im Landkreis Heilbronn) mit einem Schadensvolumen von circa 1,8 Millionen Euro zuzuordnen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heilbronn erließ das Amtsgericht Heilbronn am 30. November 2023 nationale und Europäische Haftbefehle gegen den mutmaßlichen Kopf der Bande, einen 42-jährigen Mann aus Litauen und gegen ein Mitglied der mittleren Führungsebene der Gruppierung, einen 40-jährigen Litauer. Außerdem wurden Vermögensarreste über insgesamt rund eine Million Euro und diverse Durchsuchungsbeschlüsse für Objekte in Litauen erwirkt.
Diese Maßnahmen wurden im Rahmen des "Actiondays" am Dienstag, 19. Dezember 2023, in einem gemeinsamen Einsatz der Kriminalpolizeien Klaipeda und Heilbronn unter Beteiligung von Europol und des Landeskriminalamts Baden-Württemberg zeitgleich in mehreren litauischen Städten vollstreckt. Hierbei kam es zur Festnahme der 42 und 40 Jahre alten Männer. Die Haftbefehle wurden in Vollzug gesetzt und die Männer in verschiedene Justizvollzugsanstalten eingeliefert. Außerdem wurde erneut umfangreiches Beweismaterial sichergestellt.
Unter anderem wurden in einer Metallverarbeitungswerkstatt mit Prägewerkzeugen Rohmaterial zur Herstellung von Kfz-Typenschildern und totalgefälschte Zulassungsplaketten aufgefunden. Zur Herstellung befanden sich vor Ort gewerbliche Digitaldrucker, unter anderem drei Laserdrucker /-kopierer, CO2-Lasergravurmaschinen, Kopierfilme, Polymerplatten, Chemikalien, Prägewerkzeuge, Schneid- und Stanzmaschinen, UV- Härtungsmaschinen und Pressen. Außerdem konnten die Beamtinnen und Beamte deutsche und niederländische Fahrzeugpapiere auffinden. Selbst die Sachverständigen des Landeskriminalamts Baden-Württemberg kamen aufgrund dieser professionell ausgestatteten Fälscherwerkstatt ins Staunen.
Polizeipräsident Frank Spitzmüller freut sich über den nachhaltigen Erfolg: "Dank der ausdauernden kriminalpolizeilichen Ermittlungsarbeit meiner Kolleginnen und Kollegen und der effektiven internationalen Zusammenarbeit haben wir die Täter dingfest gemacht. Dieser Schlag gegen die bandenmäßig organisierte Schwerkriminalität ist für mich herausragend und zeigt in diesem Fall eindrücklich, dass die Strafverfolgung an unseren Landesgrenzen keinen Halt machen darf."
"Die wiederholt sehr gute Zusammenarbeit auf polizeilicher und justizieller Ebene ist ausschlaggebend für eine effektive Strafverfolgung - auch über Grenzen hinweg - wie dieser Fall eindrucksvoll zeigt." betont der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Heilbronn, Dr. Frank Schwörer.
Komfortabel aber sicherheitsanfällig
Mit Hilfe von sogenannten Keyless Go-Systemen erkennen damit ausgestattete Fahrzeuge über ein Funksignal den zugehörigen Schlüssel, wenn er sich in der Nähe des Fahrzeugs befindet. Leider sind schlüssellose Zugangssysteme auch sicherheitsanfällig: Diebe nutzen die Funk-Kommunikation zwischen Fahrzeug und Schlüssel, um sich unberechtigt Zugang zum Auto zu verschaffen. Sie verwenden dazu Funkstreckenverlängerungen, mit denen die Funk-Kommunikation zwischen Fahrzeug und Schlüssel abgefangen und durch den Aufbau einer Relaystation verlängert wird. Diese Technik simuliert dem Fahrzeug einen berechtigten Schlüssel, der tatsächlich aber nicht vor Ort ist.
Schützen Sie sich vor Autodieben:
- Legen Sie den Schlüssel nie in der Nähe der Haus- oder
Wohnungstüre ab. - Schirmen Sie das Funksignal durch geeignete
Maßnahmen ab (z.B. Aluminiumhüllen, evtl. Blechdose). Machen Sie dazu
den Test am Fahrzeug. Erst wenn der abgeschirmte Schlüssel direkt am
Fahrzeug nicht funktioniert, haben Sie ausreichend Sicherheit. -
Achten Sie darauf, ob sich beim Verlassen des Fahrzeugs Personen mit
Aktenkoffer in Ihrer Nähe auffällig verhalten. Dabei könnte es sich
um professionelle Autodiebe handeln. - Sie können auch den Hersteller
Ihres Fahrzeuges fragen, ob für Ihr Fahrzeug der Komfortzugang
temporär deaktiviert werden kann. Bei manchen Schlüsseln kann die
KeylessFunktion beispielsweise durch zweimaliges Drücken auf die
Verriegelungs-Taste am Schlüssel ganz ausgeschaltet werden.
Möglicherweise kann Ihnen auch Ihre Fachwerkstatt Auskunft geben,
welche Möglichkeit es speziell für Ihr Fahrzeug gibt.Rückfragen bitte an:
Polizeipräsidium Heilbronn
Telefon: +49 (0) 7131 104-1010
E-Mail: HEILBRONN.PP.STS.OE@polizei.bwl.de