Stade (ots) - Öffentliche Schuldzuweisungen sind immer ein schlechtes Mittel, wenn es darum geht, die Ursachen von schweren oder spektakulären Unfällen zu klären. Das offenbart auch die Analyse eines Zusammenstoßes zwischen einem Nahverkehrszug und einem Gelenkbus in Niedersachsen.
Die VOX Sendung "auto mobil" berichtet darüber in der "Unfallakte: Hedendorf" am Sonntag (14.02.2016, 17.00 Uhr - 18.15 Uhr).
Ein Schreckensszenario, wie es krasser kaum sein kann: Ein Nahverkehrszug stößt bei Buxtehude mit einem Linienbus zusammen. Der 18 Meter lange Gelenkbus war mitten auf dem Bahnübergang mit Halbschranke liegengeblieben, nachdem die 23-jährige Busfahrerin offensichtlich Probleme damit hatte, um eine Kurve zu kommen. Zuvor hatte die Fahrerin noch verzweifelt versucht, den Bus wieder von den Gleisen zu bekommen. Vergeblich! Doch die rund 60 Schüler, die sich an diesem Tag im Bus befanden, hatten großes Glück im Unglück. Alle konnten den Gelenkbus der KVG Stade GmbH & Co. KG, die das Fahrzeug ausnahmsweise mit behördlicher Genehmigung auf einer Umleitungsstrecke einsetzte, noch rechtzeitig verlassen.
"Wir müssen raus. Dahinten kommt der Zug!"
Wie dramatisch die Situation zuvor im Bus gewesen sein muss, schildert bei VOX der 15-jährige Marvin Schulz: "Die Busfahrerin war ausgestiegen. Sie hatte die Störung über Funk bereits gemeldet. Dann hatte sie noch überlegt, einen Radlader vorzuspannen. Als sie wieder in den Bus kam, schrie plötzlich ein Schulkamerad laut: Wir müssen raus! Da hinten kommt der Zug!" Bis zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Schüler noch in dem verschlossenen Bus, dessen vordere Tür die 23-jährige nach dem Schrei sofort öffnete. Dass der Nahverkehrszug aus Hamburg, ein "Metronom", zuvor noch abgebremst hatte, lag daran, dass die junge Frau unmittelbar nach dem Liegenbleiben einen Notruf an ihre Zentrale absetzte. Dennoch lässt die Kollision, die mit 40 km/h statt dort üblicher 120 km/h erfolgte, unschwer erkennen, was alles hätte passieren können.
Polizei Stade würdigt besonnenes Verhalten
Während sich viele Eltern nach dem Unfall darüber beschwerten, dass der hintere Ausgang verschlossen blieb, rechtfertigt Polizeihauptkommissar Rainer Bohmbach von der Polizei in Stade dieses Verhalten der jungen Busfahrerin ausdrücklich und bezeichnet es sogar als "sehr weitsichtig". Bohmbach bei VOX: "Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte ein Großteil der Schüler auf den Gleisen das Weite gesucht. Dabei wäre die Möglichkeit, von dem herannahenden Metronom erfasst zu werden, nicht unerheblich gewesen". Kritik löste bei vielen Eltern auch der Umstand aus, dass die 23-jährige Busfahrerin die Schüler bis zum Schluss im Bus beließ. Doch hier gibt Dipl.-Ing. Wolfgang Derichs von der Dekra in Bremen zu bedenken: "Das Ganze muss für die junge Frau ein extremer Stress gewesen sein. Und jeder Mensch handelt in solchen Situationen unterschiedlich. Wesentlicher Fakt ist aber, dass niemandem etwas passiert ist. Und darauf kommt es an".
War Strecke für einen Gelenkbus geeignet?
In der "Unfallakte: Hedendorf" beschäftigt sich VOX auch damit, wie es überhaupt zum Liegenbleiben des Gelenkbusses kommen konnte. Tatsächlich, so das Ergebnis der Untersuchungen des Eisenbahn-Bundesamtes, ist ausgerechnet der aufwendige Sicherheitsmechanismus des Gelenkbusses dafür verantwortlich. Der Winkel, den die Busfahrerin beim Abbiegen genommen hatte, war zu eng und sorgte dafür, dass sie zurücksetzen musste. Mehrmalige Versuche führten dazu, dass der Knickschutz im Rahmen des Zurücksetzens aktiviert wurde und der Bus dann auf den Gleisen stehen blieb. Nicht nur viele Eltern und Anwohner, sondern auch Unfallanalytiker Wolfgang Derichs, fragen sich nun, ob diese Umleitungsstrecke für einen Gelenkbus überhaupt hätte freigegeben werden dürfen.
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Quelle: news aktuell / dpa