Keine weitere Anklage im Fall „Peggy“ – Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Manuel S. wurde eingestellt – Der Verfahrenskomplex „Peggy“ ist damit beendet
22.10.2020, PP Oberfranken
Keine weitere Anklage im Fall „Peggy“ – Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Manuel S. wurde eingestellt – Der Verfahrenskomplex „Peggy“ ist damit beendet
Gemeinsame Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Bayreuth und des Polizeipr4;sidiums Oberfranken
Am Montag, den 7. Mai 2001, verschwand die damals neunjährige Peggy Knobloch aus Lichtenberg im Landkreis Hof spurlos. Zuletzt wurde das Mädchen am Henri-Marteau-Platz in Lichtenberg von mehreren Zeugen gegen 13.24 Uhr lebend gesehen, von da an verlor sich ihre Spur. Es bestand der Verdacht eines Sexual- und Tötungsdelikts.Die Ermittlungen hatten zunächst zur Beschuldigung des zur Tatzeit 24-jährigen Ulvi K. geführt. Er wurde am 30.04.2004 von der Großen Jugendkammer des Landgerichts Hof in einem Indizienprozess wegen Mordes zum Nachteil von Peggy Knobloch zu lebenslanger Freiheitsstrafe und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verurteilt. Am 03.04.2013 beantragte der Verteidiger von Ulvi K. die Wiederaufnahme des Verfahrens. Er beschränkte den Antrag auf die Verurteilung wegen des Mordes an Peggy Knobloch. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war nicht Gegenstand des Wiederaufnahmeantrags. Mit Beschluss vom 09.12.2013 erklärte die 1. Jugendkammer des Landgerichts Bayreuth den Wiederaufnahmeantrag für zulässig. Am 14.05.2014 hob sie das Urteil des Landgerichts Hof aus dem Jahr 2004 insoweit auf, als der Angeklagte wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, und sprach ihn frei. Der Freispruch ist rechtskräftig. Ein Vollzug der Freiheitsstrafe war zu keinem Zeitpunkt erfolgt.Im Sommer 2016 wurden in einem Waldstück in der Nähe von Rodacherbrunn/Thüringen, etwa 16 Kilometer von Lichtenberg entfernt, die sterblichen Überreste von Peggy Knobloch gefunden. Der Fund führte zur Wiederaufnahme der Ermittlungen.Die Historie des Verfahrens, der enorme Umfang an Akten und Informationen und insbesondere die erst 15 Jahre später aufgefundenen sterblichen Überreste von Peggy Knobloch erforderten die Einrichtung einer kriminalpolizeilichen Sonderkommission mit einem außergewöhnlich hohen personellen, materiellen und finanziellen Aufwand.Zudem bezogen die Beamten der SOKO auch wissenschaftliche Disziplinen ein, die außerhalb üblicher Ermittlungsroutine stehen, wie beispielsweise Gutachten zur Auswertung von Torf-, Pollen- und Farbpartikelspuren.Die Summe der Erkenntnisse aus den Untersuchungen der am Fundort gesicherten Spuren sowie die Neubewertung bereits bestehender polizeilicher Feststellungen rückten den im Tatzusammenhang bereits früher einmal beschuldigten Manuel S., der zur Tatzeit im Alter von 24 Jahren in Lichtenberg gewohnt und gelebt hatte, erneut in den Fokus der Ermittlungen. So haben die Ermittlungen ergeben, dass sich der Beschuldigte zur tatkritischen Zeit ohne gesichertes Alibi in Lichtenberg aufhielt und Arbeiten durchführte, die mit den am Leichenablageort gefundenen Spuren korrelieren. Peggy Knobloch befand sich zum Zeitpunkt ihrer letzten Sichtung in unmittelbarer Nähe des Hauses des Beschuldigten.Im Zusammenhang mit den Ermittlungsmaßnahmen führten die Beamten der SOKO im September 2018 die Vernehmung des Beschuldigten S. durch. Hierbei gab er zu, am Tag des Verschwindens von Peggy mit seinem Audi 80 in Lichtenberg unterwegs gewesen zu sein, als ihn ein ihm namentlich bekannter Mann angehalten habe. In einem Bushäuschen in der Poststraße, so gab der Beschuldigte an, will er das leblose Mädchen von dem Mann übernommen haben. Er habe noch versucht, es zu beatmen. Weiter gab er an, dass er das Opfer in eine rote Decke gewickelt, in den Kofferraum seines Fahrzeugs gelegt und dann in einem Waldstück in Thüringen - dem späteren Fundort - abgelegt habe. Er ergänzte, dass er wenige Tage später den Schulranzen des Mädchens und deren Jacke bei sich zu Hause verbrannt habe. Er bestritt jedoch, Peggy Knobloch getötet zu haben. Später widerrief er das Geständnis über die Verbringung der Leiche. Sein Rechtsanwalt erhob zudem schwerwiegende Vorwürfe gegen die Ermittler.Gegen den Beschuldigten erließ das Amtsgericht Bayreuth am 11.12.2018 Untersuchungshaftbefehl, den es am 24.12.2018 jedoch wieder aufhob. Die 3. Strafkammer des Landgerichts Bayreuth stellte mit Beschluss vom 13.02.2019, mit dem die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bayreuth gegen die Aufhebung des Haftbefehls verworfen wurde, fest, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von verbotenen Vernehmungsmethoden oder eines Verwertungsverbotes hinsichtlich der Aussagen des Beschuldigten festzustellen seien.Das Geständnis über die Verbringung und Ablage von Peggy Knobloch im Wald bei Rodacherbrunn durfte somit verwertet werden.Die 3. Strafkammer bejahte gleichzeitig den dringenden Tatverdacht, dass Manuel S. zumindest an der Verbringung der Leiche von Peggy Knobloch beteiligt gewesen war, einen dringenden Tatverdacht der Beteiligung an der Tötung von Peggy Knobloch verneinte sie jedoch. Infolge der Feststellungen des Landgerichts tätigte die Sonderkommission nochmals intensive Ermittlungen, die Ende 2019 abgeschlossen und der Staatsanwaltschaft zur weiteren Entscheidung vorgelegt wurden. Die abschließende Bewertung der äußerst umfangreichen Ermittlungsergebnisse durch die Staatsanwaltschaft Bayreuth führte zu dem Ergebnis, dass dem Beschuldigten Manuel S. eine Täterschaft oder Beteiligung an der Herbeiführung des Todes der Peggy Knobloch nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden kann. Voraussetzung für die Erhebung der Anklage ist ein hinreichender Tatverdacht, auf dessen Grundlage die Verurteilung des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein muss.Es wurden zwar zahlreiche Indizien ermittelt, die auf eine Tatbeteiligung von Manuel S. hindeuten, weder die objektive Spurenlage noch die verwertbaren Angaben des Beschuldigten oder sonstige Beweismittel gestatten allerdings einen hinreichend sicheren Nachweis der Beteiligung an der Tötung von Peggy Knobloch.Aufgrund des Zustandes der sterblichen Überreste des Mädchens nach einer Liegezeit 15 Jahren, in dessen Folge bereits viele Spuren unwiederbringlich verloren gegangen waren, ließ sich die Todesursache nicht mehr feststellen. Zeugen, die das Geschehen beobachtet haben, konnten nicht ermittelt werden. Allein die Angaben des Beschuldigten Manuel S. und des freigesprochenen Ulvi K. stehen zur Verfügung. Manuel S. bestreitet, Peggy Knobloch getötet zu haben. Ulvi K. gab in seinen zahlreichen Vernehmungen unterschiedlichste Einlassungen und Tatversionen an, die er jeweils dem Verfahrensstand anpasste. Ein bezüglich der Aussagen eingeholtes Gutachten eines Fachpsychologen für Rechtspsychologie zu deren Wahrheitsgehalt kommt zu dem Ergebnis, dass es auszuschließen ist, dass seinen Schilderungen auch nur annähernd eine hinreichende Zuverlässigkeit und Glaubhaftigkeit attestiert werden kann. Dafür wären die Widersprüchlichkeiten in seinen Aussagen und die Fluktuationen seiner Angaben zu hoch.Es liegen damit insgesamt keine hinreichenden Beweise dafür vor, dass Manuel S. allein oder zusammen mit einer anderen Person Peggy Knobloch sexuell missbraucht und anschließend getötet hat, um die Sexualstraftat zu verdecken.Bestehen bleibt lediglich der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten hinsichtlich des Verbringens der Leiche. Sofern hier isoliert betrachtet der Tatbestand der Strafvereitelung in Betracht käme, wäre dieser aber bereits verjährt.Das Verfahren wurde daher mit Verfügung vom 16.10.2020 insgesamt eingestellt. Damit endet nach nunmehr über 19 Jahren ein komplexes Ermittlungsverfahren, das überregional hohe Aufmerksamkeit erfuhr und wiederholt im Blick der Öffentlichkeit stand. Die zahlreichen Beamten der Sonderkommissionen und die Staatsanwaltschaften Hof und Bayreuth haben über Jahre unermüdlich alle Möglichkeiten ausgeschöpft, das Verbrechen aufzuklären. Sie arbeiteten an rund 6.400 Ermittlungsspuren, gingen hunderten Hinweisen nach und führten insgesamt zirka 3.600 Vernehmungen durch. Im Rahmen der umfangreichen Ermittlungen wurden zudem etwa 250 Gutachten durch unterschiedlichste Spezialisten erstellt. Letztendlich umfassen die gesamten Ermittlungen zirka 450 Aktenordner.Der Ermittlungskomplex „Peggy“ mit allen Verfahren ist nun vollständig beendet.