Osnabrück/Oldenburg/Bad Iburg: Nach Skandal in Schlachthof – Beamte der Ermittlungsgruppe Schlachthof ziehen Fazit
Anfang Oktober 2018 erhielt die Polizeiinspektion Osnabrück von Seiten der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Landwirtschaftsstrafsachen in Oldenburg einen Ermittlungsauftrag im Zusammenhang mit einem Schlachthof in Bad Iburg.
Den Verantwortlichen wurde vorgeworfen, dass wiederkehrend wesentliche Tierschutzbestimmungen bei der Anlieferung von Schlachttieren missachtet worden sind. Die Vorwürfe basierten auf den Feststellungen der Tierschutzorganisation SOKO Tierschutz e.V., der zwischen August und September 2018 ein Videosystem im Annahmebereich des Schlachthofs angebracht hatte.
Die vorliegenden Filmsequenzen zeigten die Vorgehensweise der Beteiligten beim Abladen von erkrankten, verletzten und festliegenden Schlachtrindern.
Anhand der ersten Sichtung von mehr als 4.000 Videosequenzen, die zwischen 2 und 60 Minuten dauerten, wurde deutlich, dass wiederholt besonders schutzbedürftige Tiere unter Einsatz von mechanischen Hilfsmitteln, hier vornehmlich einer Seilwinde, bei vollem Bewusstsein von den Transportfahrzeugen geschleift wurden.
Nach einer vorläufigen Prüfung unterschiedlicher Videos durch mehrere Amtsveterinäre bestätigte sich der ursprüngliche Verdacht, dass den Tieren durch die dokumentierten Handlungen eindeutig erhebliche Schmerzen und Leiden im Sinne des Tierschutzgesetzes zugefügt worden sind.
Der betroffene Schlachthof existierte zu diesem Zeitpunkt seit rund 40 Jahren und hatte sich auf die Schlachtung von Rindern aus der Intensivtierhaltung spezialisiert. Die Erzeugnisse verkaufte das Unternehmen an verschiedene Discounter, Restaurants, Fleischereien aber auch an Fleischgroßhändler innerhalb und außerhalb Deutschlands.
Die Polizeiinspektion installierte unter der Leitung der Ermittlungsgruppe Umwelt ein fünfköpfiges Team zur Aufarbeitung der Tatvorwürfe. In Absprache mit der Schwerpunktstaatsanwaltschaft wurde ein Ermittlungskonzept ausgearbeitet, mit Hilfe dessen die einzelnen Straftaten beweiskräftigt dargelegt und angeklagt werden sollten.
Die Ermittler erhielten fachliche Unterstützung durch das Landesamt für Ernährung und Verbraucherschutz in Oldenburg. Die dortigen Veterinäre sichteten jede Videosequenz und beurteilten die Vorgehensweise beim Abladen der Tiere anhand der geltenden gesetzlichen Bestimmungen.
Dabei stellte sich heraus, dass bei ins-gesamt 238 Tieren der Anfangsverdacht eines Tierschutzverstoßes vorlag. Durch die Videoauswertung wurde deutlich, dass nicht nur die Angestellten des Schlachthofs für die Verstöße verantwortlich waren. Auch die Anlieferer, wie beispielsweise Landwirte, Viehhändler oder angestellte Fahrer verhielten sich beim Abladen der Schlachtrinder nicht tierschutzkonform.
In diesen Fällen wurden ebenfalls Ermittlungsverfahren eingeleitet. Darüber hinaus existieren Videosequenzen, anhand derer sich der Nachweis erbringen ließ, dass Tiere zum Schlachthof verbracht wur-den, obwohl sie bereits vor Transportbeginn erkennbar transportunfähig gewesen sind.
Für den Fall, dass hierfür ausreichend Indizien vorlagen, wurden auch gegen die Tierhalter Strafverfahren eingeleitet.
Anhand von KFZ-Kennzeichen und sichergestellten Dokumenten, wie Lieferscheinen, Rinderpässen und betriebsinternen Unterlagen, ließen sich die jeweiligen Anlieferer ermitteln und die Schlachttiere mittels ihrer Ohrmarken identifizieren.
Insgesamt 445 Strafverfahren wurden während des Ermittlungszeitraums zwischen Oktober 2018 und Dezember 2020 eingeleitet. Zusätzlich erfolgten drei Durchsuchungen bei unterschiedlichen Beschuldigten.
Während die Ermittlungsgruppe die eingeleiteten Verfahren bearbeitete, verfasste eine Amtsveterinärin aus Stade die jeweiligen fachbehördlichen Gutachten, die als Grundlage für den konkreten Strafvorwurf dienten. Auf Basis dieser Gutachten und der polizeilichen Ermittlungsergebnisse konnte die Staatsanwaltschaft Oldenburg schließlich Strafbefehle formulieren und Tatkomplexe zur Anklage bringen.
Für die Untersuchung der Schlachttiere waren seinerzeit zwei amtlich beauftragte Veterinäre zuständig. Sie waren vom Landkreis Osnabrück für diese Überwachungstätigkeit fest angestellt worden.
Zu ihren Aufgaben gehörte die sog. Lebendtierbeschau und die Untersuchung der Schlachtkörper.
Wie sich im Rahmen der Hauptverhandlung Anfang 2023 allerdings herausstellte, haben die Veterinäre nach eigenen Angaben keine Lebendtierbeschau durchgeführt. Diese ist jedoch zwingend vorgeschrieben, wenn das Fleisch der Tiere zu Lebensmitteln verarbeitet werden soll.
Während des Ermittlungszeitraums sind gegen 67 Beschuldigte Strafverfahren aufgrund von Tierschutzverstößen eingeleitet worden. Hiervon sind 44 Beschuldigte mittlerweile rechtskräftig verurteilt. In den Fällen, bei denen die Tatorte außerhalb von Niedersachsen lagen, wurden die Ermittlungsverfahren an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben.
Die Gesamtsumme aller bislang verhängten Geldstrafen beträgt über 140.000 EUR. Die Kosten für die Beauftragung von Rechtsanwälten, Gerichtskosten und Kosten für Gutachten sind hierbei nicht berücksichtigt.
Im Rahmen der Ermittlungen erhielten die zuständigen Veterinärämter am Wohnsitz der Beschuldigten schriftlich Kenntnis von den polizeilichen Feststellungen. Die Behörden wurden somit in die Lage versetzt, die Sachverhalte im Rahmen eigener Zuständigkeiten zu prüfen und ggf. weitere Maßnahmen zu treffen.
Nach hiesigem Kenntnisstand resultierten hieraus 12 Aufforderungen zur Nachschulung von Transportfahrern und vier Entziehungen von Sachkundebescheinigungen. Die Entziehungen führten dazu, dass der Betroffene ab dem Zeitpunkt des Entzugs keine lebenden Tiere mehr befördern darf.
In einzelnen Fällen sind Beschuldigte gegen die Urteile des Amtsgerichts Bad Iburg in Berufung gegangen. Allerdings wurden die Urteile auch in der zweiten Instanz jeweils bestätigt.
Die Hauptbeschuldigten, hier der Geschäftsführer des Schlachthofs und zwei seiner Angestellten wurden zu Freiheitsstrafen auf Bewährung und Geldauflagen verurteilt.
Die Veterinäre sind Anfang dieses Jahres von den Vorwürfen der Tierschutzverstöße freigesprochen worden. Allerdings steht derzeit noch der Vorwurf im Raum, dass sie Ihren Arbeitgeber, den Landkreis Osnabrück, betrogen haben, da sie ihren vertraglich vereinbarten Pflichten als amtlich beauftragte Veterinäre nicht vollständig nachgekommen waren, diese jedoch in Rechnung gestellt hatten.
Gleichzeitig wird gegen den ehemaligen Geschäftsführer wegen des Vorwurfs des gewerblichen Betrugs weiter ermittelt. Er hat nach Auffassung der Staatsanwaltschaft das Fleisch von schlachtuntauglichen und nicht hinreichend untersuchten Tieren an seine Kunden verkauft, obwohl diese davon ausgehen mussten, dass die Produkte uneingeschränkt verkehrsfähig gewesen sind.
In diesem Zusammenhang spielt auch die Anlieferung von offensichtlich toten Tieren eine Rolle. Als Lebensmittelerzeuger hätte der Schlachthof zu keinem Zeitpunkt bereits tote Tiere annehmen dürfen.
Anhand der Videos wurde jedoch der Nach-weis erbracht, das im Tatzeitraum tot angelieferte Tiere angenommen und in den Schlachtraum verbracht wurden. Der Beschuldigte bestreitet, dass diese Tiere zu Lebensmitteln verarbeitet worden sind. Der letztendliche Verbleib konnte jedoch nicht abschließend aufgeklärt werden.
Einem großen Viehhandelsunternehmen aus dem Kreis Steinfurt, dass im vorliegenden Verfahren wiederholt aufgefallen war, ist mittlerweile die Transportgenehmigung für die Beförderung von lebenden Tieren entzogen worden. Obwohl die Fahrer des Unternehmens empfindliche Geldstrafen erhalten hatten, wurden fort-gesetzt Verstöße festgestellt.
Auf dieser Erkenntnislage hatte die Veterinärbehörde schließlich ein Beförderungsverbot ausgesprochen, dass im Dezember 2022 durch das zuständige Verwaltungsgericht bestätigt wurde.
Rückfragen bitte an:
Polizeiinspektion Osnabrück
Jannis Gervelmeyer
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