IM-MV: Verfassungsschutzbericht M-V 2015 Innenminister Lorenz Caffier: Gefahrenaufklärung durch den Verfassungsschutz für Innere Sicherheit wichtiger denn je

16.08.2016 – 13:00

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Schwerin (ots) - Angesichts der aktuellen Entwicklung im Bereich des gewaltorientierten Extremismus ist die Gefahrenaufklärung durch den Verfassungsschutz für die Innere Sicherheit wichtiger denn je. Die anhaltenden Übergriffe auf Flüchtlinge und die islamistischen Terroranschläge in Würzburg und Ansbach zeigten die reale Bedrohung und mahnen zu größter Wachsamkeit. Diese Aufgabe ist jedoch nur im Verbund zu meistern. "Ich begrüße es daher sehr, dass es zwischenzeitlich gelungen ist, wesentliche Teile der Verfassungsschutzgesetzgebung zu harmonisieren, so dass eine besser abgestimmte und intensivere Datenerfassung erfolgen kann. Dies führt auch insgesamt zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Verfassungsschutzbehörden", sagte der Minister für Inneres und Sport Lorenz Caffier.

Folie 1 - Rechtsextremismus in M-V -

   -	In Mecklenburg-Vorpommern stellt der Rechtsextremismus weiterhin die größte Gefahr für die demokratische Entwicklung dar. 

Folie 2 - Personenpotenzial Rechtsextremismus -

   -	Im Vergleich zu den Vorjahren konnte im Zeichen der  Flüchtlingskrise eine erheblich höhere Mobilisierung und zugleich  Radikalisierung der rechtsextremistischen Szene beobachtet werden.  Dies wird deutlich durch ein Anwachsen des rechtsextremistischen  Personenpotenzials von ca. 1.400 auf ca. 1.450 Personen. Zeitgleich  ist auch die Zahl der gewaltorientierten Szeneangehörigen von 650 auf 680 gestiegen. Während die Mitgliederzahl im Parteienbereich  unverändert blieb, stiegen die Zahlen im Bereich der subkulturellen  Rechtsextremisten (2014: 550 / 2015: 580) und in der Neonaziszene  (2014: 480 / 2015: 500). Damit folgt die Entwicklung im Land dem  Bundestrend. 

Folie 3 - Rechtsextremistisches Straftatengeschehen -

   -	Besonders besorgniserregend war in diesem Zusammenhang die  Entwicklung bei den rechtsextremistischen Straftaten (Politisch  motivierte Kriminalität). Die Zahl der rechtsextremistisch  motivierten Straftaten stieg von 642 im Jahr 2014 auf 952 im Jahr  2015. Dabei hat sich die Zahl der Gewalttaten von 35 auf 93 erhöht.  Dies ist im 10-Jahresvergleich die höchste Zahl. Einen Schwerpunkt  bildeten dabei fremdenfeindliche Straftaten. Deren Zahl stieg von 62  auf 311. Darunter waren 57 Gewaltdelikte. Im Jahr 2014 wurden  lediglich 16 derartige Delikte registriert. Angriffsziele waren  sowohl Einzelpersonen mit Migrationshintergrund als auch  Asylbewerberunterkünfte. Gegen Wohnobjekte von Migranten richteten  sich 2015 48 Übergriffe. 2014 wurden demgegenüber 10 Angriffe  registriert. Straftaten richteten sich auch gegen Personen, die sich  gegen Rechtsextremismus engagieren oder sich für Flüchtlinge  einsetzen. 
   -	Nicht nur im Straftatengeschehen bildeten Antiasylaktivitäten  einen Schwerpunkt. Auch die Propaganda und das  Demonstrationsgeschehen waren durch diese Thematik geprägt. Mit über  150 Veranstaltungen wurde 2015 auch hier ein Höchststand erreicht. 

Folie 4 - NPD-Landesverband -

   -	Wie in den Vorjahren standen dabei der NPD-Landesverband sowie  die NPD-Landtagsfraktion im Zentrum der Entwicklung. Sie haben im  Laufe des Jahres 2015 auch die Steuerung der Bewegung  "Mecklenburg-Vorpommern gegen die Islamisierung des Abendlandes"  (MVGIDA) übernommen. Dies unterstreicht erneut die politische  Führungsrolle der Partei in der rechtsextremistischen Szene des  Landes. Umso mehr ist von Bedeutung, dass das  Bundesverfassungsgericht im Dezember 2015 entschieden hat, im  NPD-Verbotsverfahren die mündliche Verhandlung durchzuführen, die vom 1. bis 3. März 2016 stattfand. "Der Ausgang des Prozesses bleibt  abzuwarten. Ich bewerte es jedoch bereits als Erfolg, dass dieses  Verfahren in die entscheidende Phase gekommen ist. Es ist damit  sowohl gelungen, die Staatsfreiheit der Partei zu belegen als auch  die nötigen Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der NPD  beizubringen. Der Verfassungsschutz des Landes hat hier umfassend  zugearbeitet", so der Minister. 

Folie 5 - Rechtsextremistisch beeinflusste bzw. gesteuerte Strukturen -

   -	Zu beobachten war darüber hinaus, dass die rechtsextremistische  Szene ihre fremdenfeindlichen Aktivitäten nicht nur unter der eigenen Flagge oder als MVGIDA, sondern verstärkt unter Nutzung weiterer  zuwanderungsfeindlicher Bewegungen, wie etwa "MV-Patrioten" oder  "Deutschland wehrt sich" vorangetrieben hat. Offensichtlich wurde  damit das Ziel verfolgt, die Anschlussfähigkeit in der Bevölkerung zu erhöhen. Allerdings war der rechtsextremistische Bezug meist  unverkennbar. Sicherlich auch daher blieb eine größere Resonanz aus. 

Die übergroße Mehrheit der hiesigen Bevölkerung hat sich entgegen mancher Befürchtungen eben nicht von der rechtsextremistischen Szene instrumentalisieren lassen. Nicht jeder Teilnehmer einer asylkritischen Demonstration, der sein Grundrecht nach Artikel 8 Grundgesetz wahrnimmt, darf pauschal als Rechtsextremist bezeichnet werden. Kritik an der Zuwanderung an sich ist - solange sie nicht extremistisch motiviert ist - ein demokratisch legitimiertes Protestverhalten. Hier bedarf es gerade mit Blick auf die gesetzlichen Grundlagen des Verfassungsschutzes einer differenzierten Sicht auf die Entwicklung.

Folie 6 - Internetaktivitäten/soziale Netzwerke -

   -	Für die Mobilisierung des zuwanderungsfeindlichen Spektrums  waren zudem die sozialen Netzwerke von wachsender Bedeutung. Neben  den üblichen rechtsextremistischen Internetauftritten wurden bis Ende 2015 etwa 40 asylfeindliche Facebook-Auftritte in  Mecklenburg-Vorpommern festgestellt. 

Folie 7 - Neonationalsozialisten -

   -	Neben Aktivitäten im Hauptaktionsfeld "Antiasyl" führte  insbesondere die Neonaziszene auch 2015 jahreszeittypische Rituale  oder aber Aktionen mit Bezug zum Geschehen während der Zeit des  Nationalsozialismus durch. Sie sind offenbar weiterhin  identitätsstiftend und dienen der Selbstvergewisserung der eigenen  Ideologie. 

Die Entwicklung der Lage im Jahr 2015 muss insgesamt mit Sorge betrachtet werden. Sollte sich die Zuwanderungsdebatte nicht entspannen, wird für die Zukunft neben einer anhaltenden Agitation gegen Flüchtlinge ein generelles Erstarken des Rechtsextremismus und eine weitere Radikalisierung von Einzelpersonen bzw. Gruppen zu befürchten sein, die mit einer Absenkung der Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt verbunden ist. Vor diesem Hintergrund muss die Gefahr des Rechtsterrorismus stets mit bedacht werden. Die aufgrund von Hinweisen der Verfassungsschutzbehörden im Frühjahr 2015 aufgelöste rechtsextremistische Gruppierung "Old School Society" ist hier ein deutliches Warnzeichen. Bei dieser Gruppierung gab es auch Bezüge nach Mecklenburg-Vorpommern.

Folie 8- Linksextremismus in M-V -

Im Bereich des Linksextremismus war folgende Entwicklung zu beobachten:

   -	Die gesteigerten Aktivitäten von Rechtsextremisten haben auch zu einem Mobilisierungsschub innerhalb der linksextremistischen Szene  geführt, die zahlenmäßig leicht angewachsen ist und weiterhin durch  das gewaltorientierte Spektrum dominiert wird. Besorgniserregend ist  die Bereitschaft, auch massive Gewalt gegen den politischen Gegner  oder die Polizei anzuwenden. 2015 stieg die Zahl der  linksextremistisch motivierten Gewalttaten auf 63 gegenüber 34 im  Jahr 2014. 

Folie 9 - Personenpotenzial Linksextremismus -

- Dem Linksextremismus in Mecklenburg-Vorpommern sind ca. 430 Personen zuzurechnen. Gewaltbereite Linksextremisten, die sich mehrheitlich als Autonome bezeichnen, haben daran den größten Anteil. Die anarchistische Autonomenszene ist im Land vor allem in den Universitätsstädten Rostock und Greifswald konzentriert. Sie formieren sich organisati-onsungebunden und eher in losen und wenig verbindlichen Zusammenschlüssen. Zunehmend ist jedoch ein Bemühen um den Anschluss linksextremistischer Akteure an nichtextremistische Organisationen zu beobachten. Diese Tendenz ist umso mehr besorgniserregend, als empirische Studien eine verschwimmende Trennlinie zwischen linksextremistischem, radikalem und demokratischem Weltbild in der Gesellschaft belegen. So ist im Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojekts zu "Demokratiegefährdenden Potenzialen des Linksextremismus" der Freien Universität Berlin im Februar 2015 eine weite Verbreitung einzelner Versatzstücke eines "links-extremen" Denkens in der Mehrheitsbevölkerung festgestellt worden.

Folgende Aktionsfelder waren im Berichtszeitraum von Bedeutung:

Folie 10 - Gewaltorientierter "Antifaschismus" -

   -	Die Bekämpfung des "Faschismus" ist das Hauptaktionsfeld von  Linksextremisten. Dabei wurden auch im Jahr 2015 schwerwiegende  Straftaten, wie Körperverletzungen und Brandstiftungen, begangen. So  wurden am 23. Oktober 2015 in Stralsund 10 Fahrzeuge in Brand  gesetzt, die größtenteils Teilnehmern einer auch von  Rechtsextremisten besuchten Versammlung der "MV-Patrioten" gehörten.  Weitere Brandstiftungen mit politisch motiviertem Hintergrund wurden  an Fahrzeugen des politischen Gegners und auf dem Gelände des  Polizeireviers in Rostock-Lichtenhagen begangen. 

Folie 11 "Antirepression" / "Antifaschismus"-

   -	Wie das Beispiel der Brandstiftung am Polizeirevier in Rostock  zeigt, verschwimmen die Aktionsfelder "Antifaschismus" und  "Antirepression". In ihrem aktiven Widerstand gegen den "Faschismus"  werden polizeiliche Maßnahmen bei Demonstrationen, die das  Aufeinandertreffen der politischen Gegner verhindern, von  Linksextremisten als Unterstützung des Faschismus verstanden.  Schwerpunkte solcher Aufeinandertreffen von Links- und  Rechtsextremisten stellten im Jahr 2015 die rechtsextremistischen  Demonstrationen am 1. Mai in Neubrandenburg und am 8. Mai in Demmin  dar. 

Im Internet wird mit Parolen wie "Niemand muss Bulle sein" eine aggressive Stimmung gegen Polizeibeamte geschürt. Unterstützung in der nicht nur juristischen Auseinandersetzung mit staatlichen Maßnahmen erhalten die linksextremistisch motivierten Straftäter von politischen Hafthilfeorganisationen, wie z. B. dem "Rote Hilfe e. V.", der Ortsgruppen in Greifswald und Rostock unterhält.

Folie 12 - "Antikapitalismus" -

   -	Die linksextremistische Ideologie fußt auf den kommunistischen  Klassikern Marx, Engels, Lenin und Stalin oder anarchistischen  Theoriemodellen. Ziel der Anhänger dieser Weltanschauung war bzw. ist es, eine kommunistische bzw. anarchistische Gesellschaft zu schaffen. Dies sei aber nur dadurch zu erreichen, indem die  marktwirtschaftlich/kapitalistische Ordnung, die auch als Ursache für Faschismus und Rassismus betrachtet wird, durch einen revolutionären  Prozess beseitigt wird. Vor diesem Hintergrund ist das Aktionsfeld  "Antikapitalismus" für die linksextremistische Szene auch in  Mecklenburg-Vorpommern naturgemäß von zentraler Bedeutung. Der "Kampf gegen das Kapital" dient demgemäß regelmäßig als Rechtfertigung auch  schwerer Gewalttaten, wie jüngst wieder bei den Ausschreitungen in  Berlin beobachtet werden konnte, die im Übrigen von die hiesigen  Szene mit Sympathie begleitet wurden. 

Eine der größten Herausforderungen für die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden stellt der Islamismus dar.

Folie 13 - Islamismus/islamistischer Terrorismus -

Ich komme nun zum Islamismus, der für die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden eine der größten Herausforderungen darstellt.

   -	Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden stellt der  islamistische Terrorismus nach wie vor die größte Gefahr für die  innere Sicherheit Deutschlands dar. Auch die islamistischen Anschläge bei Würzburg und in Ansbach und das danach entstandene  Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung unter¬streichen dies sehr  deutlich. 
   -	Ein großes Problem stellen in diesem Zusammenhang die nach  Syrien oder in den Irak ausgereisten Jihadisten dar. Deren Zahl  steigt weiter an. Lagen im Januar 2015 Erkenntnisse zu mehr als 600  Ausreisenden vor, so wurde im Dezember 2015 von mehr als 780  entsprechenden Personen ausgegangen. Relevanz hat dieses  Personenpotenzial vor allem in Bezug auf die nach Deutschland  zurückkehrenden Jihadisten, die aus dem Nahen Osten Kampferfahrung  mitbringen. Wie gefährlich diese Personen werden können,  verdeutlichen die An¬schläge der Terrororganisation "Islamischer  Staat" in Paris am 13. November 2015 - mehrere Attentäter waren zuvor bereits für diese Terrororganisation in Syrien aktiv. 
   -	Für Mecklenburg-Vorpommern liegen keine bestätigten  Informationen zu islamistischen Ausreise- bzw. Rückkehrerfällen vor.  Es sind jedoch Informationen zu einer Reihe von Personen mit Bezügen  zum Bürgerkriegsgeschehen in Syrien und dem Irak angefallen, denen  nachgegangen wird. Auch ist von einer beträchtlichen Dunkelziffer  auszugehen. Jede Reise in die Türkei kann zumindest theoretisch auch  mit einer Weiterreise nach Syrien oder in den Irak ver¬bunden sein.  Umgekehrt stellt auch die Tatsache, dass ein hoher Prozentsatz der  nach Deutschland kommenden Flüchtlinge ohne gültige Ausweispapiere  einreist und deren tatsächliche Identität damit letztlich ungeklärt  ist, eine Schwachstelle für die innere Sicherheit dar, die es zu  beseitigen gilt. 
   -	Zudem ist im Zusammenhang mit der 2015 stark angewachsenen Zahl  von Zuwanderungen aus dem Nahen und Mittleren Osten nach  Mecklenburg-Vorpommern die Zahl der islamistischer Verdachtsfälle  gestiegen. Die Sicherheitsbehörden des Landes gehen diesen Hinweisen  konsequent nach. 

Folie 14 - Salafistische "LIES!-Kampagne" -

   -	Bundesweit erfährt der Salafismus als bedeutende Ausprägung des  Islamismus eine außerordentlich dynamische Entwicklung. So ist die  Zahl der Anhänger dieser Ideologie im Jahr 2015 bundesweit von etwa  7.000 auf über 8.000 angestiegen. In Mecklenburg-Vorpommern hat sich  die Zahl der Salafisten im Berichtszeitraum von einem unteren auf  einen mittleren zweistelligen Wert erhöht. Aktuell ist von einer  höheren zweistelligen Anzahl auszugehen. 
   -	Öffentlich wahrnehmbar war diese Szene durch die Fortsetzung der "LIES!"-Kampagne in Rostock, bei der wiederholt kostenlos Korane  verteilt wurden. 

Den gesamten Verfassungsschutzbericht 2015 finden Sie als Download unter www.verfassungsschutz-mv.de

Rückfragen bitte an:

Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern
Pressestelle
Michael Teich
Telefon: 0385/588-2008
E-Mail: michael.teich@im.mv-regierung.de
http://www.regierung-mv.de