„Tiere bremsen nicht, Du schon!“ – Pilotprojekt der Polizei Mittelhessen soll Wildunfälle reduzieren
Pressemeldung vom 15.12.2023:
"Tiere bremsen nicht, Du schon!" - Pilotprojekt der Polizei Mittelhessen soll Wildunfälle reduzieren
Lahn-Dill-Kreis und Landkreis Gießen: Besonders auffällige Warnschilder auf zwei Teststrecken im Landkreis Gießen sowie LED-Dialogdisplays auf einer Strecke im Lahn-Dill-Kreis signalisieren in den kommenden sechs Monaten Verkehrsteilnehmern eine erhöhte Wildwechselgefahr. Polizei, Hessen-Mobil sowie der Landkreis Gießen und die Stadt Haiger erhoffen sich damit, die Aufmerksamkeit der Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern deutlich zu erhöhen, um die Wildunfälle auf diesen Teststrecken einzudämmen.
Alle 90 Minuten ein Wildunfall - Dunkelheit sowie Herbst- und Wintermonate stechen hervor
Auf mittelhessischen Straßen zählte die Polizei in den vergangenen fünf Jahren rund 28.000 Kollisionen mit Wildtieren. Die Wildunfälle machen damit einen Anteil von rund 25 Prozent an den Gesamtunfällen in den Landkreisen Gießen, Wetterau, Marburg-Biedenkopf und dem Lahn-Dill-Kreis aus. Das Gros der Unfälle ereignet sich bei Dunkelheit, zudem sind die Herbst- und Wintermonate deutlich stärker betroffen. Überwiegend bleiben nach den Zusammenstößen mit Wild Sachschäden zurück, nichtsdestotrotz kamen in den zurückliegenden fünf Jahren zwei Menschen bei Wildunfällen in Mittelhessen ums Leben, 290 Personen trugen zum Teil schwere Verletzungen davon.
"Schaut man auf die Wildunfallstatistik nehmen die Kolleginnen und Kollegen der Polizeistationen des Polizeipräsidiums Mittelhessen durchschnittlich etwa alle 90 Minuten einen Wildunfall auf", macht Polizeioberrat Gerhard Keller - Leiter der Direktion Verkehrssicherheit / Sonderdienste - auf die besondere Situation aufmerksam. "Diese Zahlen zeigen, dass Fahrzeugführer einem deutlichen Risiko ausgesetzt sind, auf Wildwechsel zu treffen."
Wild kennt keine Regeln!
Verschiedenste Maßnahmen, die Wildtiere von den Fahrbahnen fernzuhalten, erwiesen sich bisher bei deren Erprobungen - auch auf Versuchsstrecken im Lahn-Dill-Kreis und dem Landkreis Gießen - als wenig wirksam oder nicht praktikabel. Hierbei kamen zum Beispiel verschieden farbige Reflektoren an den Leitpfosten oder Duftzäune zum Einsatz. Eine Auswertung der unterschiedlichen Studien zeigt, dass sich das Wild durch diese Maßnahmen offensichtlich nicht dauerhaft wirksam beeinflussen lässt. Zudem bewegen sich die Waldbewohner zwischen Futter- und Schlafplatz instinktiv auf den ihnen vertrauten Wegen - ungeachtet der von Menschen gestalteten Verkehrswege.
"Die Erprobungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Einwirkungsmaßnahmen auf Wildtiere sehr eingeschränkt und wenig nachhaltig sind", resümiert Gerhard Keller und erklärt weiter: "Daher richten wir mit unserem Piloten den Fokus auf die Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführer, um die Wildunfallgefahr zu reduzieren".
Tempo entscheidet über Zusammenprall
Geschwindigkeit ist der Faktor, der das Fahrzeug bei plötzlichem Wildwechsel möglicherweise rechtzeitig zum Stehen bringt oder zu einem Zusammenprall mit dem Wildtier führt. Bei 60 km/h kommt ein Pkw nach etwa 35 Meter, bei 80 km/h nach ca. 55 Meter zum Stehen. Sollte in 60 Meter Entfernung ein Wildtier auf die Fahrbahn springen, kann der Wagen bei diesen Geschwindigkeiten noch rechtzeitig zum Stehen gebracht werden - bei 100 km/h kommt ein Pkw nach zirka 79 Meter zum Stillstand und prallt gegen das Tier.
Gezielte Warnhinweise und Displays ergänzen Wildwechselschild
Den Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführer ist das Verkehrsschild "Wildwechsel" mit dem springenden Hirsch im rot umrandeten Dreieck bekannt. Über die Warnung hinaus, auf Wild zu achten, das die Fahrbahn queren könnte, mahnt es Verkehrsteilnehmer zu einer erhöhten Aufmerksamkeit sowie zur Verringerung der Geschwindigkeit im Hinblick auf die Gefahrensituation.
Keller erklärt: "Leider müssen wir im Zusammenhang mit dem Verkehrszeichen "Wildwechsel" resümieren, dass bei vielen Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern an den wildunfallträchtigen Strecken offensichtlich ein Gewöhnungseffekt eintritt und das Fahrverhalten meist nicht an die mögliche Gefahr eines Wildwechsels angepasst wird - möglicherwiese werden diese Schilder von den Verkehrsteilnehmern auch schlecht wahrgenommen."
L3127, Landkreis Gießen: zw. Geilshausen und Beltersheim
L3354, Landkreis Gießen: zw. Bettenhausen und Bellersheim
Ab 15.12.2022 werden auf denen im Landkreis Gießen gelegenen Teststrecken bei Grünberg und Hungen Verkehrsteilnehmer durch auffällige Warnschilder auf die Wildunfallgefahr aufmerksam gemacht. Die etwa 120 x 160 cm großen Warntafeln mit auffallend gelben Hintergrund sind weithin sichtbar. Neben einem Wildwechselzeichen ist als Hinweis und zur Sensibilisierung der Verkehrsteilnehmer an den zwischen Geilshausen und Beltersheim montierten Schildern die Anzahl der Wildunfälle der zurückliegenden drei Jahre auf dieser Strecke aufgebracht. Die beiden Warnschilder zwischen Bettenhausen und Bellersheim weisen die Anzahl der Wildunfälle pro Jahr im gesamten Landkreis Gießen auf.
L3044, Lahn-Dill-Kreis: zw. Langenaubach und Flammersbach
Auf der Landstraße zwischen den Haigerer Stadtteilen Langenaubach und Flammersbach machen in den kommenden sechs Monaten LED-Dialogdisplays die Verkehrsteilnehmer auf drohenden Wildwechsel aufmerksam. Nähern sich Verkehrsteilnehmer mit über 60 km/h dem Display, leuchten ein Gefahrenzeichen sowie der Schriftzug "Achtung Wildwechsel" auf. Bekannt sind diese Displays unter anderem aus 30-km/h-Zonen oder aus Straßen vor Schulen oder Kindergärten, um Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern zu einem regelkonformen und damit zu einem verkehrssicheren Verhalten zu motivieren.
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