Videobeweis auf der Autobahn: Provida-Teams der Polizei veranlassen 1000 Fahrerlaubnis-Entzüge pro Jahr
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Lfd. Nr.: 0188
Ein mit spezieller Videotechnik ausgestattetes Team des Verkehrsdienstes der Autobahnpolizei in Kamen veranlasst pro Jahr mindestens 1000 Fahrerlaubnis-Entzüge und hohe Geldbußen, weil Raser mit extrem hohen Geschwindigkeiten im Straßenverkehr eine Gefahr für sich selbst und andere Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer darstellen. Die Wache in Kamen gehört zum Polizeipräsidium Dortmund, das für 550 Autobahnkilometer im Regierungsbezirk Arnsberg zuständig ist.
Die zehn auf einer früheren Formel-1-Rennstrecke für Hochgeschwindigkeits-Fahrten ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten sind täglich mit PS-starken Zivilfahrzeugen für das Leben im Einsatz. Sie verfolgen mit der Videotechnik nicht nur Raserinnen und Raser - sie verfolgen darüber hinaus ein wichtiges Ziel: Sie wollen den Unfalltod auf den Straßen verhindern und das Verhalten der Verantwortlichen verändern. Sie sollen Respekt vor physikalischen Gesetzen bei hohem Tempo und damit Respekt vor dem Leben zeigen.
"Wir sehen täglich die hohen Unfallrisiken auf den Straßen und möchten genau diese Risiken verhindern", sagen zwei Polizeibeamte, die seit mehr als 20 Jahren gemeinsam auf den Autobahnen im Einsatz sind. Die Provida-Videotechnik zeichnet nicht nur das Tempo auf. Mit den Daten kann das Team auch den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug berechnen. In Kombination mit zu hohem Tempo erhöht ein zu geringer Abstand das Unfallrisiko deutlich. Die Aufzeichnungen führen auch lebensgefährliche Nötigungen vor Augen.
183 km/h, wo 80 km/h erlaubt sind, und 110 km/h bei Tempo 50 - diese Spitzenwerte befinden sich für die Provida-Teams der Autobahnpolizei in Kamen im normalen Messbereich. So auch auf der Bundesstraße 236 in Dortmund in Richtung Lünen, wo die Polizei am Ausbauende in Lünen wiederholt Verkehrsunfälle mit Schwerverletzten und Getöteten aufnehmen musste. Die Tempo-Schilder sind deutlich wahrnehmbar. Unauffällig hingegen sind die Zivilfahrzeuge und die Kameras der Polizei.
Auf der A 448 in Bochum stoppte das Provida-Team jüngst einen Autofahrer, der bei Nässe und schlechter Sicht 128 bei erlaubten 80 km/h fuhr. An seiner Seite: die Ehefrau. Hinten saß der fünfjährige Sohn der Eltern. Ohne Kindersitz, so dass der Sicherheitsgurt an der Halsschlagader des Jungen anlag.
Wenige Minuten zuvor stoppten die Polizisten einen Autofahrer, der mit 155 km/h über die A 44 bei Witten fuhr. Ebenfalls bei Nässe und schlechter Sicht. Erlaubt waren 80 km/h. Der Mann hat bereits ein Fahrverbot hinter sich und Einträge auf dem Punktekonto. Zwei weitere Fahrverbots-Monate, eine Geldbuße in vierstelliger Höhe und Gebühren kommen jetzt dazu. Was Raser berücksichtigen sollten: Ist ein Fahrverbot fällig und werden sie in den folgenden 365 Tagen noch einmal mit mindestens 26 km/h gemessen, folgt das zweite Fahrverbot (zusätzlich ein Bußgeld und Gebühren).
"Da sind Raser bei, die immer wieder Probleme mit der Straßenverkehrsordnung haben, über mehrere Punkte verfügen und denen wiederholt die Fahrerlaubnis entzogen worden ist. Manche erkennen uns wieder, wenn wir sie anhalten und sagen: Nicht Sie schon wieder", berichtet einer der beiden Polizeihauptkommissare über die Reaktionen.
Andere nennen Gründe für das hohe Tempo wie "ich muss" ...
... "zu einer Beerdigung"
... "zum Flughafen"
... "meine Kinder abholen"
... "auf Toilette"
Die durch hohes Tempo auf der Autobahn gewonnene Zeit verlieren die Fahrerinnen und Fahrer wieder durch die Kontrolle abseits der Autobahn, wenn sie das Blaulicht und das Anhaltezeichen der Polizei gesehen haben. Weder eine Charme-Offensive, noch die Hinweise auf ein volles Punktekonto oder die Abhängigkeit vom Führerschein aus beruflichen Gründen führen dazu, dass die Polizisten über die Tat hinwegsehen. Auch Tränen verschaffen keinen Vorteil.
Auf die Frage "Kann man da nicht was machen?" gibt es nur eine Antwort: In Zukunft aufs Tempo achten und nicht zu schnell fahren. Was auch ein wichtiger Hinweis für eilige Berufstätige ist, die ein Entzug der Fahrerlaubnis voll trifft. Weil sie als Außendienstmitarbeiter oder Selbstständige mit 75.000 Kilometern im Jahr auf Mobilität angewiesen sind, um Kunden zu bedienen und so ihr Geld zu verdienen.
Widersprüche der betroffenen Fahrerinnen und Fahrer führen pro Jahr zu rund 400 Gerichtsverfahren, in denen das Provida-Team für Zeugenaussagen vorgeladen wird. In mehr als 90 Prozent der Verfahren wendet sich das Blatt allerdings nicht zu ihren Gunsten. Denn der mit dem Videobeweis gesicherte Tatvorwurf ist für alle Beteiligten deutlich sichtbar.
Das sind die eher weichen Fakten. Die harten Fakten sind, dass ein Verkehrsunfall bei zum Beispiel 167 km/h zu schwersten Verletzungen mit lebenslangen Behinderungen und dauerhafter Unselbstständigkeit oder dem Tod führen kann. Mit weitreichenden Folgen. Weil ein Einkommen fehlt und die Haus-Finanzierung zusammenbricht. Weil Angehörige und Freunde den Verlust eines geliebten Menschen nicht verkraften können. Weil die Teilnahme an einem verbotenen Rennen auf der Autobahn und der dadurch verursachte Tod eines Menschen den verurteilten Täter ins Gefängnis führt.
Die Teamleiterin der Provida-Gruppe der Autobahnpolizei, Polizeihauptkommissarin Sandra Jahn, gibt einen Denkanstoß: "Der vorübergehende Entzug der Fahrerlaubnis, Geldbußen, Gebühren und die Teilnahme an Medizinisch-Psychologischen Untersuchungen führen zu hohen Kosten. Da kommen schnell 10.000 Euro zusammen. Aber ein Menschenleben ist unbezahlbar."
Ihre Bitte an alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer: "Denken sie über Ihren Fahrstil nach. Denn der Tod ist schneller als jedes Auto."
Termin-Hinweis für Medien: Über die Entwicklung der Verkehrsunfallzahlen auf den Autobahnen informiert das Polizeipräsidium Dortmund im April 2024.
Journalisten wenden sich mit Rückfragen bitte an:
Polizei Dortmund
Peter Bandermann
Telefon: 0231-132-1023
E-Mail: poea.dortmund@polizei.nrw.de