Politisch motivierte Kriminalität 2023 Innenminister Christian Pegel: „Größte Gefahr geht weiterhin von rechts aus“

Ein Dokument 20240430_VorstellungPMKPräsentation.pdfPDF - 745 kB Landesinnenminister Christian Pegel hat heute in Schwerin die wesentlichen Entwicklungen der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2023 vorgestellt. "Die Gesamtfallzahl der Politisch motivierten Kriminalität ist um 8,1 Prozent auf 1.902 gesunken. 2022 waren es noch 2.070 registrierte Straftaten. Das Absinken der Zahlen beruht vor allem auf weniger politisch motivierten Straftaten im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Diskussionen über Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie oder über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die in der Statistik 2023 deutlich weniger auftauchen als 2022", sagt Innenminister Christian Pegel. "Klar bleibt aber auch: Rechtsextremismus ist leider weiterhin das absolut dominierende Schwerpunktproblem der politisch motivierten Kriminalität im Land - und leider haben antisemitische Straftaten 2023 ein neues Allzeit-Hoch im Land erreicht." Die Fallzahlen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind dabei deutlich zurückgegangen: um 431 Fälle. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich - wenngleich nicht so drastisch -im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, in dessen Zusammenhang 93 Straften weniger registriert wurden. Die Gesamtanzahl der Gewaltdelikte ist gegenüber dem Vorjahr um 70 gesunken, was einen Rückgang von 39,1 Prozent bedeutet (2022: 179 Fälle). Bei den Gewaltdelikten handelt es sich überwiegend um Körperverletzungsdelikte (75 Fälle) und Widerstandsdelikte (26). "Hier wirkt sich vor allem das veränderte Protestgeschehen auf die Gesamtzahl aus. Waren es 2022 allein noch 73 Gewaltdelikte im Zusammenhang mit Protesten gegen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, wurde im vergangenen Jahr nur noch ein solches Gewaltdelikt registriert", führt der Minister aus. Des Weiteren wurden zwölf Gewaltstraftaten registriert, die in den Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu bringen waren. Insgesamt 15 Gewaltdelikte wurden im Zusammenhang mit Demonstrationen erfasst. "Nichtsdestotrotz merken wir, dass sich die Spannungen in unserer Gesellschaft sowie das teilweise extrem aggressive Diskussionsniveau in den Straftaten 2023 widerspiegeln. So nimmt die allgemeine Gewaltaffinität zu, wie auch die Bereitschaft, sich drastischer gegen etwas zu äußern und dabei keine Rücksicht auf die anderen Diskussionsbeteiligten und deren Meinungen zu nehmen. Protest ist in unserem demokratischen Miteinander legitim, aber wenn dieser in Gewalt oder Beleidigung mündet, sind dies Straftaten und diese werden Polizei und Justiz mit aller Konsequenz verfolgen", so Christian Pegel. Die einzelnen Phänomenbereiche Die Anzahl rechtsmotivierter Taten ist 2023 gegenüber 2022 um 19,9 Prozent gestiegen. So wurden im Vorjahr 1.369 Delikte registriert, während es 2022 insgesamt 1.142 Straftaten waren. Bei den Fallzahlen der PMK -links- wurde ein Rückgang um 3,4 Prozent registriert. Straftaten, die keinem Phänomenbereich zugeordnet werden können, sind ebenfalls um 401 Fälle (56,9 Prozent) gesunken. Hier finden sich vor allem die deutlich zurückgegangenen Straftaten im Zusammenhang mit Protesten gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Im Phänomenbereich der PMK -rechts- bilden die Propagandadelikte, wie bereits in den vergangenen Jahren, den Schwerpunkt. Hier ist ein deutlicher Anstieg von 788 Fällen in 2022 auf 933 im vorigen Jahr festzustellen. Im Gegensatz zu schweren Straftaten, ist bei solchen Straftaten eine eher niedrige Hemmschwelle zu überschreiten - wahrscheinlich ist dies auch ein Erklärungsansatz für den Anstieg der Zahlen. "Hierin scheint sich aber auch eine Annahme vieler Täter zu zeigen, dass das Zeigen des Hitlergrußes oder das Benutzen des Hakenkreuzes oder von SS-Runen gesellschaftlich eher akzeptiert wird - hier haben wir als Gesellschaft insgesamt eine gemeinsame Aufgabe sehr klar zu signalisieren, dass das massive Grenzüberschreitungen sind und dass das Relativieren des schrecklichsten Krieges des letzten Jahrhunderts und vor allem des grauenvollen industriellen Massenmordens durch die Verwendung der für diese schrecklichsten Verbrechen stehenden Symbolik keinerlei Akzeptanz finden!", fordert der Innenminister. Der größte Anteil der Propagandadelikte wurde mit dem Tatmittel Farbe/Markierungsmaterialien begangen. Die Zahl stieg auf 469 Fälle für 2023 (2022: 453). Bei den Gewaltdelikten ist ein leichter Rückgang von zwei Straftaten zu verzeichnen (2023: 79 Fälle; 2022: 81 Fälle). "Diese Zahlen zeigen deutlich: Von rechts geht weiterhin leider die mit absolutem Abstand größte Gefahr für unsere Gesellschaft in Mecklenburg-Vorpommern aus. Dass wir uns klar dagegenstellen, haben die beiden verhängten und auch in unserem Bundesland vollzogenen Vereinsverbote gegen die ,Hammerskins' und die ,Artgemeinschaft' im vergangenen Jahr unterstrichen. Damit haben wir ein wirksames Zeichen gesetzt, um die weiterhin vorhandenen Strukturen zu stören", sagt Christian Pegel. Linksmotivierte Straftaten nahmen ab Mit 168 registrierten Fällen im Jahr 2023 war im Phänomenbereich der PMK -links- ein Rückgang um sechs Straftaten (-3,4 Prozent) im Vergleich zum Jahr 2022 (174 Fälle) zu verzeichnen. Schwerpunkt der Straftaten waren mit insgesamt 109 Fällen Sachbeschädigungen. 2023 wurden sieben Gewaltdelikte der PMK -links- (2022: 14 Fälle) zugeordnet. Phänomenbereiche ausländische/religiöse Ideologie Im Phänomenbereich PMK -ausländische Ideologie- sanken im Jahr 2023 die Fallzahlen auf 33 (2022: 37). Gemessen am absoluten Fallaufkommen der PMK liegt der Anteil der PMK -ausländische Ideologie- in Mecklenburg-Vorpommern bei 1,7 Prozent (2022: 1,8 Prozent). Im Bereich PMK -ausländische Ideologie- kam es im Berichtsjahr 2023 zu drei registrierten Gewaltdelikten (2022: 11 Fälle). Alle Gewaltdelikte konnten aufgeklärt werden. Im Phänomenbereich PMK -religiöse Ideologie- wurden 28 Straftaten für das Jahr 2023 verzeichnet (2022: 12). "Dieser deutliche Anstieg ist auf die im Oktober bundesweit an öffentliche Schulen und Einrichtungen versendeten Bombendrohungen per E-Mail zurückzuführen. Auch wir hatten in unserem Land solche Fälle", erklärt der Innenminister. "Jede dieser Drohungen ist eine eigene, einzeln in der Statistik gezählte Straftat, weshalb dieser vermeintlich erhebliche Anstieg - wenn auch auf dem Niveau sehr geringer absoluter Zahlen - statistisch erfasst wurde", erläutert Pegel. (siehe dazu Pressemitteilung Nr. 237/2023) Politisch motivierte Straftaten mit sonstiger Zuordnung Politisch motivierte Straftaten, die sich keinem der oben genannten "klassischen" Phänomenbereichen zuordnen lassen, werden als PMK -sonstige Zuordnung-" erfasst. Straftaten im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie fielen in der Vergangenheit vielmals hierunter. 2023 waren es 304 Taten mit einer sonstigen Zuordnung, 401 weniger als im Jahr zuvor. Zum 1. Januar 2023 wurde der Phänemenbereich PMK -nicht zuzuordnen- in PMK -sonstige Zuordnung- umbenannt. Dies machte einen Anteil von 16 Prozent an der Gesamtanzahl Politisch motivierter Kriminalität aus (2022: 34,1 Prozent). Im Jahr 2023 wurden 20 Gewaltdelikte der PMK -sonstige Zuordnung- (2022: 70 Fälle) verzeichnet. "Durch das abnehmende Protestgeschehen wurde ein deutlicher Rückgang der Fallzahlen bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz (2023: 30, 2022: 247), Beleidigungen (2023: 75, 2022: 113) sowie Sachbeschädigungen (2023: 50, 2022: 75) festgestellt. Auch hier spüren wir deutlich das Ende der Corona-Pandemie zu Jahresbeginn 2023: So wurden im Phänomenbereich PMK -sonstige Zuordnung- insgesamt zehn Straftaten registriert, die im Zusammenhang mit Protesten gegen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie stehen. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 374 - das ist eine ganz andere Dimension. Zusätzlich wurden 2023 insgesamt 30 Straftaten registriert (2022: 121), die im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gebracht werden konnten", fasst der Minister zusammen. Am häufigsten seien dabei die Strafrechtsnormen § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten), Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und § 185 StGB (Beleidigung) registriert. Insgesamt wurden in diesem Phänomenbereich 20 Gewaltdelikte (2022: 70) verübt. Antisemitische und fremdenfeindliche Straftaten Die Zahl antisemitischer Straftaten stieg 2023 um 36 Fälle auf 115. "Dieser Anstieg ist insbesondere in den beiden Phänomenbereichen PMK -rechts- und -sonstige Zuordnung- festzustellen. Insbesondere in diesen Bereichen wurde die heutige Politik mit dem Holocaust verglichen. Auch der Terroranschlag der Terrorgruppe Hamas gegen Israel und die folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen in Nahost wurden zum Anlass für Hetze gegen Juden im Allgemeinen genommen. Das ist für uns, vor allem mit unserer deutschen Geschichte, nicht hinnehmbar. Deutschland trägt aufgrund seiner Vergangenheit eine besondere Verantwortung für den Kampf gegen Antisemitismus. Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus haben in unserer Gesellschaft keinen Platz und wir werden uns gegen diese entschieden wehren", sagt Christian Pegel. Bei den fremdenfeindlichen Delikten wurde ebenfalls ein Anstieg von 316 Delikten in 2022 auf 439 Delikte in 2023 registriert. Dieser deutliche Anstieg steht in engem Zusammenhang mit der ebenfalls sehr deutlich angestiegenen Zahl der Zugewanderten im Jahr 2023. "Die gestiegene Anzahl an Geflüchteten führte in vielen Kommunen zu erhöhtem Bedarf an Bau oder Anmietung von entsprechenden Gemeinschaftsunterkünften. Dies führte in einigen betroffenen Kommunen zu Widerständen und Protesten. Ich möchte klar sagen: Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sind zentrale Grundrechte in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dass Menschen ihre Fragen, Sorgen und Informationsbedarfe hierbei ansprechen, ist ebenso Teil dieser Grundrechtswahrnehmung. Dass allerdings bekannte Rechtsradikale und Rechtsextreme versuchen, diese Veranstaltungen für sich zu okkupieren, ist nicht hinnehmbar. Androhungen von Selbstjustiz sowie Hass und Hetze gegen Menschen, die aus Kriegsgebieten oder wegen Verfolgung durch diktatorische Regime zu uns kommen, um Schutz zu finden, sind eindeutig feindlich gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet und nicht hinnehmbar. Jeder dieser Sachverhalte wird durch unsere Polizistinnen und Polizisten aufgearbeitet und von der Justiz entsprechend sanktioniert werden", führt der Minister aus. Straftaten mit Tatmittel Internet nehmen erneut zu Für das Jahr 2023 wurden insgesamt 381 Fälle festgestellt, die mit dem Tatmittel Internet, einschließlich sozialer Netzwerke, begangen wurden. Damit ist die Fallzahl um 127 in diesem Bereich gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Diese Taten unterteilen sich in: Fälle 2023 /Phänomenbereich /Fälle 2022 233 / -rechts- / 140 13 / -links- / 8 112 / -sonstige Zuordnung- / 102 19 / -religiöse Ideologie-/ 3 4 / -ausländische Ideologie-/ 1 "Leider haben wir im Jahr 2023 erneut einen Anstieg im Bereich der Hasspostings registriert, von 95 auf 154 Fälle. Hass und Hetze im Netz gegen Andersdenkende haben mittlerweile eine unerträgliche Niveaulosigkeit erreicht. Kritik, insbesondere auch im politischen Diskurs, muss erlaubt sein, aber üble Beleidigungen, Verleumdungen und Hetze sowie Bedrohungen mit der Androhung körperlicher Schädigungen bis hin zum Tod sind nicht tolerierbar. Die Landespolizei wird Hass und Hetze im Netz und in den sozialen Netzwerken weiter konsequent verfolgen und die sich in Anonymität wiegenden Täterinnen und Täter ermitteln und ihre Taten öffentlich machen", so Innenminister Christian Pegel. Straftaten gegen Wahlkreisbüros und Amtsträger Im Jahr 2023 wurden deutlich mehr Straftaten gegen Wahlkreisbüros erfasst: 45, im Vorjahr waren es 26. "18 dieser Straftaten ließen sich keinem klassischen Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität zuordnen. 22 davon kamen aus dem linken Spektrum, vier aus dem rechten und eine aus dem Bereich ausländische Ideologie", verdeutlicht der Minister und ergänzt: "Alle 22 Fälle aus dem linken Spektrum richteten sich in Gänze gegen Büros der AfD." Relativ konstant blieb im Jahr 2023 die Zahl der registrierten Straftaten gegen Amts- und/oder Mandatsträger: Mit 112 Fällen waren es sechs mehr als im Vorjahr. "Hierbei handelte es sich überwiegend um Delikte wie Beleidigung, Bedrohung, Verleumdung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten oder Volksverhetzungen. Das Gros dieser Straftaten - 78 - war wie schon im Vorjahr (93) keinem der klassischen Phänomenbereiche zuzuordnen", führt Christian Pegel aus und stellt klar: "Kritisches Hinterfragen von Regierungshandeln ist legitim. Die Begehung von Straftaten ist durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung jedoch nicht gedeckt. Wer den Staat und insbesondere Menschen, die ihn vertreten, in solcher Form angreift, attackiert unsere Demokratie und damit uns alle als Gesellschaft. Das werden wir nicht dulden." Aufklärungsquote verbessert Stolz könne die Landespolizei auf die Aufklärungsquote bei der Politisch motivierten Kriminalität sein, so der Minister: "Auch, wenn wir nur einen leichten Anstieg auf 54,8 Prozent (2022: 52,1 Prozent) erreicht haben, befinden wir uns hier auf einem historischen Hoch." "Hervorzuheben ist zudem, dass die Aufklärungsquote bei den Gewaltdelikten, also den schwerwiegenderen Straftaten, von 81,0 Prozent auf 89,9 Prozent in 2023 gestiegen ist - das unterstreicht die intensive und konsequente Verfolgung durch unsere Polizei. Insgesamt wurden im Zuge der Aufklärung der politisch motivierten Straftaten 1.364 Tatverdächtige ermittelt." Rückfragen bitte an: Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern Telefon: 0385/58812003 E-Mail: presse@im.mv-regierung.de