Gießen (ots) - (Mittelhessen) Polizeipräsident Bernd Paul stellt innovativen Gurtschlitten vor
Die Polizei in Mittelhessen entwickelt gemeinsam mit Unterstützern und Sponsoren einen Gurtsimulator
Unter der Federführung des Polizeipräsidiums Mittelhessen entstand in enger Zusammenarbeit mit der Theodor-Litt-Schule, der Technischen Hochschule Mittelhessen, der DEKRA sowie vielen anderen Unterstützern und Sponsoren, ein hochmoderner Gurtschlitten.
Polizeipräsident Bernd Paul stellte heute (08.09.2017) in Gießen gemeinsam mit Unterstützern und Sponsoren den innovativen Gurtschlitten vor. Zu seinem ersten großen Einsatz kommt der Gurtschlitten am Freitag, 15.09.2017, auf dem Aktionstag der Polizei anlässlich des 10-jährigen Geburtstages der Aktion BOB an den Messehallen in Gießen. Die Bevölkerung ist zu diesem Jubiläum herzlich eingeladen.
Das Geheimnis erfolgreicher Verkehrsprävention liegt unter anderem in der Simulation gefährlicher Verkehrssituationen. Hier verdeutlichen Überschlagsimulatoren, Fahrsimulatoren oder eben ein Gurtschlitten spürbar die Gefahren im Straßenverkehr. Zum einen, um die Gefahren des Straßenverkehrs und deren Folgen erlebbar zu machen und zum anderen, diese auch nachhaltig in das Gedächtnis der Probanden zu verfestigen. Zu Verkehrspräventionstagen, Workshops oder Infoständen mussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Mittelhessen auf externe Angebote zurückgreifen. Das geringe Angebot bei einer hohen Nachfrage führte oftmals dazu, dass kein Simulator eingesetzt werden konnte.
Ein Gurtschlitten vermittelt sehr eindrucksvoll die Kräfte, die bei einem Verkehrsunfall auf die Fahrzeuginsassen wirken und verdeutlicht dadurch die Notwendigkeit, den Sicherheitsgurt anzulegen.
2016 registrierte das Polizeipräsidium Mittelhessen in den Landkreisen Gießen, Marburg-Biedenkopf sowie im Lahn-Dill-Kreis und dem Wetteraukreis insgesamt 23.000 Verkehrsunfälle. Im Zusammenhang mit diesen Unfällen starben 31 Menschen. 750 Zusammenstöße hatten schwerverletzte Personen zur Folge. Bei 2.763 Kollisionen zogen sich Beteiligte leichte Verletzungen zu.
Bei knapp 500 Unfällen waren Fahrzeuginsassen nicht angeschnallt, das entspricht einem Anteil von über 2 Prozent. In über 150 Kollisionen folgten leichte, bei mehr als 60 Unfällen schwere Verletzungen bei Beteiligten. Drei Menschen verloren ihr Leben.
Polizeihauptkommissar Dirk Brandau entwickelte vor über zwei Jahren die Idee, einen transportablen Gurtschlitten für die Verkehrsprävention in Mittelhessen zu bauen. Erste Anregungen holte sich der Leiter der Geschäftsstelle des Verkehrspräventionsprojektes "verkehrssicher-in-mittelhessen" während eines internationalen Austausches von Polizeiexperten in Polen. Die polnischen Kollegen verfügten über einen portablen Gurtschlitten, der unter Ausnutzung der Schwerkraft über eine "schiefe Ebene" einen Aufprall simulierte. Insbesondere die "Handlichkeit" dieses Gerätes hatte es Brandau angetan. So holte er nach und nach den Bereich Metalltechnik der Thodor-Litt-Schule, Experten der Dekra, Studenten der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM), seinen damaligen Polizeipräsidenten Manfred Schweizer sowie weitere Unterstützer und Sponsoren ins Boot.
Schnell entwickelten die Beteiligten einen modularen Gurtschlitten, der entgegen der gängigen Systeme auf der Ebene lief und nicht die Erdanziehungskraft nutzte. Bereits erste Skizzen und Entwürfe sahen hierfür ein System bestehend aus einem Beschleunigungs-, einem Sitz-, einem Schienen- und einem Verzögerungsmodul vor.
Geleitet von Herrn Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Tripp von der DEKRA, übernahmen die Studenten der THM Michael Amend und Marc Kraft im Rahmen einer Bachelor-Thesis das Projekt "Konzeption eines Gurtschlittens zur Reproduktion unfallbedingter Fahrzeuginsassenbeschleunigung", so dass die wissenschaftliche Begleitung des Projektes durchweg gegeben war. Unterstützt wurden sie von Herrn Holighaus, Student der Konstruktionstechnik der THM. Herr Carsten Schöfflerbrachte sein Know-how in Sachen Konstruktionstechnik ein und den dazugehörigen Sitzaufbau. Von der Fa. Bahr Modultechnik GmbH stammen die Schienensysteme. Die Fa. König Komfort- und Rennsitze GmbH spendete den Sitz. Das Dämpfungssystem wird von der Fa. ACE Stoßdämpfer GmbH gestellt. Die Kosten für das Stromversorgungskabel des Systems übernahm die Stadtwerke Gießen.
Unter Leitung ihres Lehrers Markus Schlapp schweißten Schüler der Theodor-Litt-Schule die Untergestelle zusammen und übernahmen den Zusammenbau des Gurtschlittens.
Bei dem Gurtschlitten des Polizeipräsidiums Mittelhessen wird ein auf einem Schienensystem befestigter Autositz mittels eines Elektromotors variabel nach vorne beschleunigt und durch ein einstellbares Dämpfersystem wieder abgebremst. Somit sind individuelle Geschwindigkeitsunfälle und verschiedene Aufprallvarianten (Auto-Auto oder Auto-Hauswand etc.) darstellbar. Angeschnallt im Sitz nimmt der Benutzer die Aufprallwucht, die bei einem Verkehrsunfall bereits im niedrigen Geschwindigkeitsbereich entsteht, auf und lernt dabei sehr schnell, dass ein bloßes Abstützen mit den Händen nicht mehr möglich ist. Nur das Anlegen des Sicherheitsgurtes kann ihn vor schwereren Verletzungen schützen.
Der Simulator ist kompakt in seinen Ausmaßen und relativ leicht im Gewicht. Das dreiteilige Untergestellt und die restlichen Komponenten lassen sich problemlos auf einem Anhänger verstauen. Er wird zukünftig hauptsächlich in der Verkehrspräventionsarbeit in den Schulen eingesetzt. Der Simulator macht Verkehrsteilnehmern die Kräfte eines Aufpralls spürbar und sensibilisiert sie so, nicht auf das Anlegen des Sicherheitsgurtes - auch bei kurzen Fahrten - zu verzichten.
Polizeipräsident Bernd Paul ist sich sicher: "Wer einmal eine Fahrt mit dem Gurtschlitten gemacht hat, wird künftig auf den Gurt nicht mehr verzichten!"
Guido Rehr, Pressesprecher
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