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Stuttgart (ots) - Verkehrspolizeichefin Claudia Rohde: "Hektik und der gefühlte Zwang zur Dauererreichbarkeit sind Gift für die Verkehrssicherheit." Im vergangenen Jahr ereigneten sich im Stadtgebiet Stuttgart in der Gesamtschau mit 26.824 Verkehrsunfällen zwar nur geringfügig mehr Unfälle als noch im Vorjahr, doch wurde damit ein Höchststand der Gesamtunfallzahlen seit 1979 erreicht. Die Zahl der Verunglückten (2.565 Verkehrsteilnehmer) liegt dagegen trotz eines leichten Anstiegs im Jahr 2017 auf dem drittniedrigsten Wert der vergangenen 40 Jahre. Auf Stuttgarts Straßen starben 2017 allerdings zehn Verkehrsteilnehmer.
Ein Hauptthema - auch in der Landeshauptstadt - ist das Spannungsfeld "Smartphone und Co." versus Teilnahme am Straßenverkehr. Polizeidirektorin Claudia Rohde, seit 2016 Chefin der Verkehrspolizei, zeigt sich erstaunt, wie viele Fahrerinnen und Fahrer in Stuttgart immer noch mit dem Smartphone am Ohr oder dem Finger auf dem Display unterwegs sind. "Obwohl das Bußgeld für Smartphone-Nutzer um einiges nach oben ging, lassen sich erschreckend viele auch dadurch nicht davon abbringen, zu telefonieren oder zu "whatsappen". Und Fakt ist: Sie alle sind abgelenkt - ob sie es wahr haben wollen oder nicht. Dabei sind Ablenkung, Hektik und der häufig selbst auferlegte Zwang zur Dauererreichbarkeit Gift für die Verkehrssicherheit", so Rohde. Die Experten der Verkehrspolizei glauben denn auch, dass ein großer Teil der Unfälle auf Ablenkung, unter anderem durch Hantieren mit elektronischen Geräten, zurückzuführen ist. "Ausreden wie "Ich habe mir nur Bilder im Internet angeschaut, aber nicht telefoniert", "Ich habe nur versucht, jemanden anzurufen, aber er hat nicht abgenommen, also habe ich ja gar nicht telefoniert" oder "Ich hielt das Handy nur aus Gewohnheit in der Hand, aber habe es nicht benutzt" hören die Kolleginnen und Kollegen häufig. Dabei wollen viele Verkehrsteilnehmer einfach nicht wahrhaben, dass sie bei jedem ablenkenden Blick - weg von der Straße - ein schweres Unglück, Verletzte oder gar Tote in Kauf nehmen. Ein Blick von wenigen Sekunden aufs Display kann eine Fahrstrecke von mehreren Dutzend Metern "im Blindflug" bedeuten. Anders gesagt: Das ist ein Kontrollverlust, den eigentlich keiner wirklich wollen kann ", sagt Claudia Rohde. Bei 55 Kontrollaktionen mit Zielrichtung Handyverstöße, Gurtpflicht und Helmpflicht stellten Polizeibeamte in Stuttgart denn auch insgesamt 13.761 Verstöße (2016: 11.612) fest, davon 6.513 Handy-Verstöße (2016: 5.549). Hinzu kam eine erneut steigende Anzahl von 1.149 Rotlichtverstößen (2016: 1.077, 2015: 812, 2014: 666).
Auf den Straßen Stuttgarts ereigneten sich 2017 insgesamt 26.824 Unfälle, 120 mehr als im Vorjahr (plus 0,4 Prozent). Davon waren 2.024 Unfälle mit Personenschaden (plus 2,0 Prozent), bei denen letztlich 2.565 Menschen verunglückten (plus 1,1 Prozent). Die Zahl der Schwerverletzten ist nach dem Anstieg im Jahr 2016 (300 Verletzte, plus 16,7 Prozent zu 2015) wieder gesunken: 286 Schwerverletzte bedeuten einen Rückgang von 4,7 Prozent. Zehn Menschen ließen 2017 im Stuttgarter Straßenverkehr ihr Leben: Acht Fußgänger, drei davon Kinder, ein Lastwagenfahrer und ein Verkehrsteilnehmer mit seinem Pedelec. Statistisch betrachtet ereignen sich im Stadtgebiet jeden Tag 74 Unfälle, davon 68 Unfälle mit Sachschaden und sechs Unfälle mit Personenschaden, bei denen im Schnitt sieben Menschen zu Schaden kommen. Die Hauptunfallursachen sind typisch für die Großstadt: Vor allem das Missachten der Vorfahrt - hierzu gehört auch das Missachten des Rotlichts - sowie Fehler beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren liegen mit einem Gesamtanteil von rund 25 Prozent ganz vorne. Danach folgen Fehler im Abstandsverhalten und beim Fahrstreifenwechsel. Insbesondere die Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren haben 2017 deutlich zugenommen, der Anteil ist bei den statistisch auswertbaren Unfällen von 11,4 Prozent auf 13,1 Prozent angestiegen. Zu schnelles Fahren - landesweit Hauptunfallursache bei jedem vierten schweren Verkehrsunfall - spielt in Stuttgart eine untergeordnete Rolle, dennoch bleibt die Geschwindigkeitsüberwachung zu Recht eine zentrale Polizeiaufgabe. Mehr als 14.000 Raser wurden angezeigt und fast 800 Fahrer erwartet deshalb ein Fahrverbot. Auch die Alkohol- und Drogenproblematik im Straßenverkehr ist jederzeit im Blickfeld der Polizei. Über 1.200 Fahrer wurden aus dem Verkehr gezogen, die unter Alkoholeinfluss fuhren, zudem wurden 435 folgenlose Drogenfahrten festgestellt. Bei 239 Verkehrsunfällen spielte Alkoholeinfluss eine Rolle, bei 23 Unfällen registrierten die aufnehmenden Beamten Drogeneinfluss.
*** Unfallzahl mit motorisierten Zweirädern gestiegen: Bei motorisierten Zweiradfahrern ist deutlich der Einfluss des Wetters auf die Unfallzahlen spürbar. Durch das günstige Wetter im Jahr 2017 waren mehr Menschen mit motorisierten Zweirädern unterwegs, das spiegelt sich mit 470 Unfällen (plus 8,6 Prozent) in den erhöhten Unfallzahlen wieder. Nicht angepasste Geschwindigkeit steht bei Zweiradfahrern bei den Unfallursachen an erster Stelle.
Radfahrer/Pedelecfahrer: Die Zahl der Radfahrunfälle lag im vergangenen Jahr mit 447 Unfällen auf Vorjahresniveau (minus 1,3 Prozent). Allerdings wurden insgesamt 384 Radfahrer und damit 36 mehr (plus 10,3 Prozent) verletzt. Die Zahl der Schwerverletzten reduzierte sich um 7,3 Prozent. Betrachtet man die Zahl der Unfälle mit Pedelecs, gilt für Stuttgart, dass trotz eines Anstiegs auf 59 Unfälle (plus 40,4 Prozent) die Lage vor dem Hintergrund des wachsenden Bestands an Pedelecs und deren Nutzungshäufigkeit als noch unauffällig zu werten ist. Insgesamt verunglückten 54 Pedelecfahrer (plus 63,6 %), fünf wurden schwerverletzt. Ein Pedelecfahrer verunglückte tödlich. Das ordnungsgemäße Tragen eines Fahrradhelmes ist ein Thema, das sowohl Radfahrer wie auch die Pedelecfahrer gleichermaßen betrifft, denn dadurch lassen sich Kopfverletzungen verhindern oder zumindest minimieren. Trugen bei den unfallbeteiligten Pedelecfahrern 39 Prozent ordnungsgemäß einen Helm, waren es bei den Radfahrern nur 33 Prozent. Bemerkenswert ist, dass 24 Prozent der Pedelecfahrer und 31 Prozent der Radfahrer zwar einen Helm mitführten, ihn aber nicht oder nicht richtig benutzten. "Es lohnt sich, Ihr BESTES - Ihr Gehirn - zu schützen. Tragen Sie Ihren Helm bitte ordnungsgemäß - im Fahrradkorb oder mit nicht geschlossenem Kinnriemen hilft er Ihnen nicht.", appelliert Claudia Rohde.
Fußgänger: Bei 260 Unfällen waren Fußgänger beteiligt (minus 3,0 Prozent). Acht Fußgänger starben, 187 wurden leicht verletzt (plus 7,5 Prozent), 54 schwer (minus 18,2 Prozent). Rund 38 Prozent der Fußgänger hatten den Unfall nach polizeilichen Feststellungen selbst verursacht. Unachtsamkeit, Ablenkung und Missachtung des Rotlichts sind hier zum Teil wesentliche Einflussfaktoren.
Kinder: Nachdem die Zahl der Unfälle mit Kindern seit 2014 um rund 14 Prozent auf zuletzt 94 im Jahr 2016 zurückgegangen war, ist sie nun um fast 13 Prozent auf 106 Unfälle gestiegen. Drei Kinder verunglückten tödlich, 20 Kinder (2016: 26) wurden schwer und 141 leicht verletzt (2016: 121), davon sechs beziehungsweise 59 als Mitfahrer in Fahrzeugen. Auf dem Schulweg gab es wie im Vorjahr 19 Unfälle. Gerade bei Kindern setzt die Stuttgarter Polizei auf vielfältige Präventionsarbeit. So werden jedes Jahr insgesamt zirka 10.000 Grundschulkinder der Klassenstufe 1 als Fußgänger und der Klassenstufe 4 als Radfahrer von den Beamtinnen und Beamten der Verkehrsprävention über die Gefahren und richtiges Verhalten im Straßenverkehr aufgeklärt. Auch das verkehrsgerechte Verhalten an Stadtbahnhaltestellen und Bushaltestellen wird geübt und auf die Notwendigkeit, beim Fahrradfahren einen Helm zu tragen, hingewiesen. Aber auch für andere Verkehrsteilnehmer führen die Beamtinnen und Beamten der Verkehrsprävention Veranstaltungen zu den verschiedensten Verkehrssituationen durch, zum Beispiel zu den Themen verbotenes Wenden (im Kontext Stadtbahn), Alkohol und Drogen im Straßenverkehr oder Fahrradhelme. "Präventionserfolg ist zwar nicht direkt messbar, trotzdem sind wir sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen der Prävention hervorragende Arbeit leisten und dadurch Unfälle verhindert werden", so Claudia Rohde.
Der Bericht zur Unfalllage 2017 ist unter http://ppstuttgart.polizei-bw.de im Internet abrufbar.
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