201120-3-K Warnung vor „privaten“ Öffentlichkeitsfahndungen im Internet

Staatsanwaltschaft und Polizei Köln informieren zu privaten Personenfahndungen auf Social Media-Kanälen:

1. Private Personenfahndungen sind verboten. Grundsätzlich darf nur ein Richter eine Öffentlichkeitsfahndung anordnen.

2. Ohne eine solche Anordnung drohen empfindliche straf- und zivilrechtliche Folgen

3. Beim Teilen einer "illegalen" Fahndung drohen die gleichen Konsequenzen

4. Private Fahndungen können laufende Ermittlungen der Polizei gegen die Gesuchten in anderer Sache zunichte machen.

5. Eine falsche Beschuldigung kann mit Blick auf die von Hass und Gewalt geprägten Kommentare im Netz für die Gesuchten gefährlich werden

6. Private Fahndungen können im Gegenzug auch zu einer nicht kalkulierbaren Reaktion eines Gesuchten gegenüber dem Initiator der Fahndung führen.

Warum veröffentlichen Staatsanwaltschaft und Polizei diese Nachricht?

Immer wieder nutzen Privatpersonen soziale Plattformen im Internet, um nach vermeintlichen oder mutmaßlichen Straftätern zu suchen. Schnell sind Fotos und Videos aus eigenen Überwachungskameras oder dem Handy online hochgeladen und je nach Anlass der Fahndung massenhaft und unkontrollierbar verbreitet. Während sich die Initiatoren noch über den scheinbaren Erfolg freuen, drohen bereits mit Betätigung der Enter-Taste zur Freigabe einer "illegalen" Fahndung empfindliche rechtliche Konsequenzen. Wie will man einen vielfach geteilten Beitrag wieder zurücknehmen, wenn die Fahndung gar nicht zulässig war? Wer kommt für die Kosten auf, um ein solches Foto, das möglicherweise auch auf anderen Kanälen weiterverbreitet wurde, wieder zu löschen - ganz zu schweigen von möglichen Regressforderung desjenigen, der den Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte geltend macht. Hier geht es nicht einmal darum, ob der behauptete "Tatvorwurf" stimmt und auch nicht, ob man den Beitrag selbst verfasst hat - Teilen genügt! Die vielfach zitierte "Geschwindigkeit" einer Veröffentlichung auf Social Media-Plattformen kann auch die genau gegenteilige Wirkung haben, wenn die Gesuchten abtauchen und sich so einem polizeilichen Zugriff entziehen, der ohne die Öffentlichkeitswirkung deutlich leichter gewesen wäre.

Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer verdeutlicht denkbare rechtliche Folgen einer unzulässigen privaten Fahndung.

1. Wer Fotos oder Videos ohne vorherige Einwilligung der abgebildeten Personen ins Internet stellt, verstößt gegen §22 des Kunsturhebergesetzes (KunstUrhG). Es drohen eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr (§33 KunstUrhG). Dies gilt auch für diejenigen, die eine private Öffentlichkeitsfahndung teilen und somit zur Verbreitung beitragen. Die Tat wird von Ermittlungsbehörden auf Antrag verfolgt.

2. Wer die abgebildete Person zudem fälschlicherweise und wider besseres Wissen einer Straftat bezichtigt oder jemandem eine Straftat unterstellt, die sich später als unwahr erweist, muss mit einer weiteren Anzeige wegen Verleumdung, bzw. übler Nachrede rechnen.

3. Zudem drohen zivilrechtliche Schritte desjenigen, dessen Foto veröffentlich wurde. Denkbar sind Forderungen, weitverbreitete Fotos zu löschen.

Rechtliche Voraussetzungen für eine Öffentlichkeitsfahndung mit Bild:

§ 131b Veröffentlichung von Abbildungen des Beschuldigten oder Zeugen (1) Die Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist, ist auch zulässig, wenn die Aufklärung einer Straftat, insbesondere die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

Eine Öffentlichkeitsfahndung mit Bildern, auf denen Tatverdächtige erkenn- und somit identifizierbar sind, darf nur durch Ermittlungsbehörden verbreitet werden. Diese Art der Fahndung ist immer das letzte Mittel, da es in die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen eingreift. Erst wenn alle anderen Ermittlungsansätze ausgeschöpft sind und auf keine andere Art die Aufklärung einer schweren Straftat erfolgversprechend ist, ist die Öffentlichkeitsfahndung auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses erlaubt. Darin liegt auch der Grund, warum zwischen Tatbegehung und Veröffentlichung von Fahndungsbildern oft viele Wochen und Monate liegen können. Aus polizeilicher Erfahrung kommt es auch gelegentlich vor, dass durch andere Ermittlungen ein Tatverdacht gegen eine Person auf vorliegenden Fotos ausgeräumt werden kann.

Drei Kölner Beispiele unzulässiger Fahndungen

Aktuell: Eine Streifenwagenbesatzung stattete erst am vergangenen Mittwoch (18. November) einer Kölnerin einen Besuch ab, die auf Facebook mit einem Foto nach dem Tatverdächtigen einer Körperverletzung gefahndet hatte. Sie war nicht einmal selbst Opfer dieser Straftat geworden. Ein Zeuge hatte die Aufnahme mit dem Handy kurz nach einer Attacke auf ihren Ehemann gemacht. Innerhalb kürzester Zeit war der Beitrag von mehreren hundert Nutzern geteilt und somit weiter verbreitet worden. Es dauerte nicht lange, bis erste Gruppenmitglieder in den Kommentaren Vorschläge machten, was man mit dem "Täter" anstellen müsste, wenn man ihn in die Finger bekäme. Die Unschuldsvermutung, die bekanntlich bis zum Beweis des Gegenteils gilt, war schnell ausgehebelt. Der Selbstjustiz war offensichtlich schnell Tür und Tor geöffnet.

2019: Ein Unternehmer aus Köln-Ehrenfeld veröffentlichte Fotos aus seiner Überwachungskamera im Internet. Diese zeigten einen Tatverdächtigen beim Einbruch in seiner Werkstatt. Mehr noch - der Initiator der Fahndung spürte den Tatverdächtigen nach Hinweisen auf und durchsuchte dessen Wohnung. Polizeiliche Ermittlungsarbeit zu möglichen Hintermännern, Mittätern oder Hehlern war damit zunichte gemacht.

2019: Nach Hinweisen an die Polizei Köln zur "Fahndung" nach einem unbekannten "Kindesentführer" auf Facebook und in Whatsapp-Gruppen hatte die Polizei den mit Foto und Angaben zum Wohnumfeld gesuchten Mann identifiziert. Wie sich herausstellte, war er Opfer einer Verleumdung geworden. (cr/de)

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