Rechtsextreme Szene in Dortmund personell und organisatorisch geschwächt
Lfd. Nr.: 0328
"Nach zahlreichen Verurteilungen zu Haft- und Geldstrafen, Wegzügen, Austritten und Ausstiegen ihres Führungspersonals ist die Dortmunder Neonazi-Szene zur Zeit personell und organisatorisch spürbar geschwächt. Mit seinem propagierten Kampf um die Straße, um die Parlamente und die Köpfe ist der organisierte Rechtsextremismus in Dortmund in allen Punkten vorerst gescheitert.
In den letzten Jahren zeigt sich eine immer weiter zunehmende Mobilisierungsschwäche. Ihre einst bundesweite Vorreiterrolle und Anziehungskraft hat sie verloren. Der gesellschaftliche Anschluss gelingt nicht."
Dieses Fazit zog Gregor Lange heute im Rahmen einer Pressekonferenz in Dortmund. Gleichzeitig hob er hervor:
"Wir werden aus diesem Erfolg, den die Dortmunder Stadtgesellschaft mit Stadt und Polizei gemeinsam erzielt hat, sicher nicht die falschen Schlüsse ziehen. Rechtsextremistischer Hass, antisemitische und rassistische Hetze sind bundesweit und auch in Dortmund eine ernstzunehmende Gefahr. Man werde deshalb alles daran setzen, den Dauerdruck auf die jetzt handelnden Akteure fortzusetzen. Neonazis in Dortmund müssen realisieren, dass sie ins Gefängnis kommen und hohe Geldstrafen zahlen, wenn sie Straftaten begehen. Wir haben die neuen Funktionsträger und Nachfolger fest im Blick."
Führungslos:
Der Bundesvorsitzende Sascha K. ist in Haft. Das gewählte Ratsmitglied Michael B. hat Dortmund den Rücken gekehrt. Der zur letzten Kommunalwahl aufgestellte Kandidat Bernd S. ist mit einigen anderen aus der Partei die Rechte ausgetreten.
Perspektivlos:
Alle Versuche, mit Aktionen und Versammlungen an weitere Teile der Dortmunder Gesellschaft anzudocken, waren bislang erfolglos. Die Szene ist derzeit nicht anschlussfähig und konnte bei Wahlen trotz Verzichts der NPD keines ihrer Ziele erreichen.
Im Jahr 2015 erreichte die Zahl der Straftaten mit 424 Delikten, darunter 49 Gewalttaten, einen bedenklich hohen Stand. Das Polizeipräsidium Dortmund steuert seither mit einem neuen behördenstrategischen Schwerpunkt dagegen und verfolgte das Ziel, die Zahl der Straftaten deutlich zu senken. Der Polizeipräsident rief 2015, ein Jahr nach seinem Antritt in Dortmund, die Sonderkommission Rechts ins Leben. Das Ziel: Mehr Sicherheit, weniger Straftaten.
Die Kriminalinspektion Staatsschutz ermittelt fortan mit einem Intensivtäterkonzept und nahm vom ersten Tag an 84 Intensivstraftäter aus der rechten Szenen in den Blick. Bei den Ermittlern laufen die Fäden aus allen Deliktsbereichen zusammen. Ob das Schwarzfahren, Verkehrsdelikte, der Handel mit Drogen, Volksverhetzung oder Gewalttaten: Die Soko Rechts leuchtet Tatverdächtige und die Struktur der Szene aus.
Bereits im ersten Jahr bewirkte der hohe Strafverfolgungsdruck einen Rückgang der Straftaten von den 424 Taten um 27 Prozent auf 306 Delikte im Jahr 2016. Noch deutlicher fällt der Rückgang im Vergleich zwischen 2015 und 2020 aus: Das Absinken der Straftaten auf 203 Fälle bedeutet einen Rückgang um 52 Prozent - bei den Gewalttaten um 73 Prozent (2015: 49 / 2020: 13).
Polizeipräsident Lange: "Die Zahlen belegen, dass der gebündelte und ausdauernde Einsatz gegen den Rechtsextremismus richtig war und Früchte trägt. Wenn die Ermittlungsverfahren der Soko Rechts bei den Intensivstraftätern zwischen 2015 und 2020 vor Gerichten zu insgesamt 34 Jahren Freiheitsstrafe und mehr als 61.000 Euro Geldstrafen geführt haben, dann zeigen die Zahlen das, was wir unter Strafverfolgungsdruck verstehen: Konsequenz und Härte mit einem langen Atem. Wir haben unser Ziel aber noch nicht erreicht. Die Soko Rechts setzt ihre Arbeit deshalb auf unbestimmte Zeit fort." Von den Freiheitsstrafen betroffen sind auch Mitglieder des Bundesvorstandes der Partei "Die Rechte".
Strafverfolgung war nicht das einzige Ziel der Polizei: Die Verhinderung von Straftaten und eines Klimas der Angst und Einschüchterung in Dortmund-Dorstfeld war der Auftrag des Präsenzkonzepts Dorstfeld, das im Jahr 2016 an den Start ging. Bis Ende 2020 waren in dem Quartier, in dem bis zu 25 Rechtsextremisten wohnten, fast 10.000 mal Streifenwagen der Polizei um Einsatz, um die Einschüchterungs-Strategie der rechtsextremen Szene zu zerschlagen.
"Wir haben deutlich gemacht, dass wir für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Dorstfeld und in der gesamten Stadt da sind, gerade auch dann, wenn es um die Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität geht", lautet das Fazit des Polizeipräsidenten. Das Präsenzkonzept in Dorstfeld bleibt mit unverändertem Auftrag bestehen.
Wichtige Erfolge erzielte das Polizeipräsidium auch vor Verwaltungsgerichten, um beklagte Auflagen und Verbote durchzusetzen. Sogenannte "Weihnachtsdemonstrationen" vor den Privatanschriften engagierter Demokratinnen und Demokraten gibt es seit 2015 nicht mehr. Die Polizei erkannte in dem demonstrativen Auftreten an Privatanschriften einen Verstoß gegen das Grundgesetz - und in Anlehnung an nationalsozialistische Muster abermals den Aufbau eines Klimas der Angst und Einschüchterung. Von Bedeutung ist ebenfalls ein vor Gerichten erwirktes Verbot von bedrohlich wirkenden Fackelmärschen vor Unterkünften, in denen Geflüchtete wohnen.
Dazu kommen mehrere erfolgreich von Gerichten bestätigte Auflagen und Verbote gegen menschenfeindliche und volksverhetzende Parolen, die auf Versammlungen nicht mehr ausgerufen oder gezeigt werden dürfen. Auch die Verwendung von Parolen wie "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus", "Israel ist unser Unglück", "Dortmund-Dorstfeld - Nazi-Kiez" oder "Dorstfeld - unser Kiez" auf Transparenten wurden untersagt.
Trotzdem versucht die rechte Szene mit anderen Köpfen und anderem Format wieder Fuß zu fassen. Perspektivlosigkeit kann auch ein Auslöser für Frust und Gewalt sein. Deshalb sind wir mit dem Verfassungsschutz in einem intensiven Austausch und sehen sehr genau hin", betont der Polizeipräsident.
Die Szene hat sich nicht aufgelöst, sie hat sich verändert. Die Dortmunder Polizei setzt ihre Strategie mit unverminderter Härte fort. Dafür steht auch der neue Leiter der Kriminalinspektion Staatsschutz, Kriminaloberrat Robert Herrmann. Der 45-jährige Dortmunder betreibt derzeit Netzwerkarbeit in der Stadt, geht auf Akteure in der Zivilgesellschaft zu und folgt Einladungen. Der Polizeibeamte: "Ich arbeite in meiner neuen Funktion in einem hochmotivierten Team, das den politischen Extremismus in allen Bereichen engagiert bekämpft. Vorrangiges Ziel ist die Vermeidung von Straftaten. Da bin ich ganz Schutzmann."
Das sagt er auch mit Blick auf Bewährungsversager und Mitglieder der rechtsextremen Szene, die derzeit Freiheitsstrafen verbüßen und die Strafhaft wieder verlassen: "Wer in alte Handlungsmuster verfällt und erneut Straftaten begeht, bekommt den gleichen Druck wir bei den vorherigen Ermittlungen zu spüren. Das gilt auch für diejenigen, die frei gewordene Positionen einnehmen möchten und dabei Straftaten begehen". so der Kriminaloberrat.
Robert Herrmann kam 1995 zur Polizei NRW. Er erlernte den Beruf in Gelsenkirchen, arbeitete im Streifendienst und bei der Bereitschaftspolizei in Bochum, leitete den Staatsschutz im Polizeipräsidium Gelsenkirchen und blickt auf Stationen im Innenministerium, weiteren Landesbehörden der NRW-Polizei sowie im Polizeipräsidium Recklinghausen und in der Kreispolizeibehörde Unna zurück. Zuletzt leitete er eine Beratergruppe aus Spezialisten, deren Rat bei herausragenden Straftaten wie Geiselnahmen gefragt war.
Polizeipräsident Lange: "Herr Herrmann ist landesweit und bundesweit gut vernetzt. Seine Expertise können wir gut gebrauchen."
Journalisten wenden sich mit Rückfragen bitte an:
Polizei Dortmund
Peter Bandermann
Telefon: 0231-132-1023
E-Mail: Peter.Bandermann@polizei.nrw.de
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