Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2022
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SR/ Bielefeld - Polizeipräsidentin Dr. Sandra Müller-Steinhauer stellt die Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 2022 für den Kriminalhauptstellenbereich des Polizeipräsidiums Bielefeld vor.
Die Jahresbilanz legt dar, wie sich die PMK in den verschiedenen Phänomenbereichen in Ostwestfalen-Lippe entwickelt hat.
Polizeipräsidentin Dr. Sandra Müller-Steinhauer:
"Im Kriminalhauptstellenbereich meiner Behörde nahmen im vergangenen Jahr die Straftaten, die als Politisch Motivierte Kriminalität klassifiziert wurden, deutlich um 115,6% von 640 auf 1.380 Delikte zu.
Dies ist auf Zuwächse im Phänomenbereich "Ausländische Ideologie" und insbesondere auf einen enormen Anstieg der Fallzahlen von fast 200% im Phänomenbereich "Sonstige" zurückzuführen.
Dabei spielten, analog zu den landesweiten Entwicklungen, Straftaten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt sowie eine Vielzahl an Verstößen gegen das Versammlungsgesetz die entscheidende Rolle.
Die registrierten Straftaten im Bereich PMK "Ausländische Ideologie" stiegen von 16 auf 158 Delikte an, insbesondere im Bereich der Sachbeschädigungen von 2 auf 43 und der sonstigen Straftaten von 1 auf 87.
Die Fallzahlen im Phänomenbereich "Sonstige" erlebten eine enorme Zunahme von 240 auf 719 Taten. Angestiegen sind vor allem Verstöße gegen das Versammlungsgesetz von 44 auf 496, die auf die Taten von Kritikern der Coronaschutzmaßnahmen sowie das Versammlungsgeschehen in Bezug auf die Corona-Politik und den Ukraine-Konflikt zurückzuführen sind. Die meisten dieser Delikte wurden in Lippe und Gütersloh festgestellt.
Im Vergleich zum Vorjahr stieg auch die Anzahl der bekannt gewordenen Gewaltdelikte von 25 auf 35 an. Mit 15 Fällen machte der Phänomenbereich "Sonstige" den Großteil der Gewaltdelikte aus.
Entgegen der gesunkenen Aufklärungsquote aller PMK-Delikte konnten im Bereich der Gewaltdelikte 62,9% aufgeklärt werden, im Jahr davor lag die Quote bei 60%.
Im Phänomenbereich "Rechts" verzeichneten wir 436 Straftaten. Das bedeutet eine Steigerung um etwa 54% und übersteigt sogar den Höchstwert von 2016, der mit der Flüchtlingssituation in Zusammenhang stand. Der enorme Anstieg ist vor allem auf eine starke Zunahme im Bereich der Verstöße gegen §§ 86, 86a StGB zurückzuführen - was sich insbesondere aus der Auswertung zahlreicher Messenger-Gruppen ergibt.
Zehn rechtsextreme Gewaltdelikte wurden verzeichnet, das sind vier weniger als im Vorjahr.
Die meisten Delikte der PMK "Rechts" wurden in Bielefeld und Paderborn registriert.
Seit Jahren entfiel der größte prozentuale Anteil der Politisch Motivierten Kriminalität auf den Phänomenbereich "Rechts". Dies änderte sich im Jahr 2022 - erstmals war der größte Anteil mit 51,10% der PMK "Sonstige" zuzurechnen, auf PMK "Rechts" entfiel 31,59% der Delikte.
Im Kriminalhauptstellenbereich Bielefeld wohnten zum Stichtag 31.12.2022 383 Personen, die mutmaßlich der Reichsbürgerszene zugeordnet werden können,
Darunter befinden sich 201 Personen, die sicher der Reichsbürgerszene zugehörig sind und 182 mit Hinweisen auf die Zugehörigkeit zu dieser Szene. Die meisten Reichsbürger kommen aus Minden-Lübbecke und Lippe.
Neben Revanchisten, die das Kaiserreich wieder errichten wollen, finden sich Antisemiten, Rechtsradikale und sogenannte Selbstverwalter, die ein eigenes Hoheitsgebiet nur für sich selbst fordern. Die Szene ist heterogen, zwischen den Gruppen gibt es jedoch Schnittmengen. Einig sind sich alle Gruppen in ihrer Ablehnung und Nichtakzeptanz der geltenden Rechtsordnung und staatlicher Autorität.
Ebenfalls zu einem großen Anteil auf die Auswertung von Messenger-Gruppen zurückzuführen ist ein Anstieg der Straftaten unter Verwendung des Internets, unter anderem der Hasspostings und Hassmails. Hier war eine Zunahme der Delikte um 86,44% zu verzeichnen, bei denen es sich vorwiegend um Volksverhetzungen, Veröffentlichung verbotener Symbole, Beleidigungen und Bedrohungen handelte.
Im Phänomenbereich "Links" gingen die Fallzahlen um 41,93% von 93 auf 54 Delikte weiter zurück. Dieser Deliktsbereich bleibt somit im Vergleich zu 2019 mit 16 Delikten weiterhin auf niedrigem Niveau.
Der durch die weiter sinkenden Flüchtlingszahlen aus arabischen Ländern begründete rückläufige Trend bei den Prüffällen Islamismus setzte sich im Phänomenbereich "Religiöse Ideologie" auch in 2022 fort. Die Fälle gingen von 351 auf 306 zurück.
Im Jahr 2022 waren insgesamt 47 der 1.380 Straftaten im Kriminalhauptstellenbereich antisemitisch motiviert. Das sind 10 Taten mehr als in 2021.
Von den 47 Taten wurden 42 aus dem Phänomenbereich "Rechts" begangen. Dies entspricht einem Anteil von 10,77% aller rechtsmotivierten Straftaten.
Wir stellen fest, dass mehr Menschen für verschiedene und auch variable Ziele auf die Straße gehen und eine klassische Zuordnung der Personen zu einzelnen Extremismusbereichen nicht mehr so eindeutig wie früher möglich ist.
Die Auswirkungen der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und die Inflations- und Energiesorgen der Menschen zeigen sich in dieser Jahresbilanz deutlich.
Die Gefahr der Unterwanderung friedlicher Proteste durch Extremisten, die die Angst vor Staatsversagen anheizen wollen, ist nicht von der Hand zu weisen.
Die Menschen verlassen sich gerade in Krisenzeiten auf die Polizei - daher müssen wir gut vorbereitet sein, um schnell und flexibel reagieren und die Sicherheit der Bielefelder Bürgerinnen und Bürger weiterhin gewährleisten zu können."
Die Broschüre zur Jahresbilanz PMK 2022 inklusive der Auswertung für die einzelnen Kreispolizeibehörden im Kriminalhauptstellenbereich finden Sie in der Anlage und auf der Homepage der Polizei Bielefeld.
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