Internationale Konferenz zur Bekämpfung des Enkeltricks in Europa
Auf Einladung des Landeskriminalamtes Berlin kamen von Mittwoch bis heute Mittag Mitarbeitende von Staatsanwaltschaften und Polizeifachdienststellen aus allen 16 Bundesländern, vom Bundeskriminalamt, aus Polen, aus Österreich, aus der Schweiz, aus Großbritannien und Luxemburg sowie von Europol (Polizeibehörde der Europäischen Union) zusammen, um sich im Rahmen einer internationalen Konferenz über wirksame Strategien zur Bekämpfung des Enkeltricks auszutauschen. Die dreitätige Zusammenkunft in Potsdam ist Teil des von der EU geförderten Projekts ISF Lumen, das Licht (Lateinisch: Lumen) ins Dunkel der grenzüberschreitenden organisierten Eigentumskriminalität in Europa bringen soll. Das unter Federführung des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg stehende, mit zwei Millionen Euro geförderte und zunächst bis Ende 2025 befristete Projekt (eine ausführliche Beschreibung finden Sie hier) fokussiert sich auf einige auffällige Phänomene in diesem Bereich. Dazu gehören neben der Kraftfahrzeugkriminalität, dem Hütchenspielbetrug und Geldautomatensprengungen auch die im besonderen Blickfeld der Konferenz stehenden Straftaten gegen vor allem ältere Menschen – und hier insbesondere der sogenannte Enkeltrick. Die Federführung für das letztgenannte Phänomen innerhalb des EU-Projekts obliegt dem Landeskriminalamt Berlin.
Beim Enkeltrick geben sich Trickbetrüger über das Telefon meist gegenüber älteren und/oder hilflosen Personen als deren nahe Verwandte aus, um unter Vorspiegelung falscher Tatsachen an deren Bargeld oder Wertgegenstände zu gelangen. In Deutschland wird gegenwärtig nahezu ausschließlich der sogenannte Verkehrsunfall-Schockanruf als Variante des Enkeltricks genutzt. Dabei geben sich die zumeist aus Polen in perfektem Deutsch Anrufenden (sogenannte „Keiler“) am Telefon als Verwandte oder als ein mit dem Vorgang betrauter Polizeibeamter/Rechtsanwalt aus. Sie berichten, dass entweder sie selbst als angeblich verwandte Person (meist Sohn/Tochter oder Enkel) oder ihr vermeintlicher Mandant bzw. ihre Mandantin einen Verkehrsunfall verursacht und dabei eine Person schwer verletzt oder gar getötet haben soll. Nur durch die sofortige Zahlung eines Geldbetrags in bar habe der Verwandte keine strafrechtliche Verfolgung zu befürchten bzw. könne eine unmittelbar drohende
Inhaftierung vermieden werden.
Durch die Zahlung des geforderten Geldes verlieren die Geschädigten vielfach ihre gesamten Ersparnisse. Neben diesem finanziellen Schaden sind es vor allem die psychischen Auswirkungen dieser Straftaten, die den Opfern zu schaffen machen.
Wie diese Straftaten effektiv und nachhaltig strafrechtlich verfolgt und damit langfristig eingedämmt werden können, hat das zuständige Fachkommissariat des Landeskriminalamtes Berlin zusammen mit weiteren Partnerdienststellen in Deutschland und Polen in den vergangenen zwei Jahren in sogenannten Action Weeks beispielhaft gezeigt. Allein im Jahr 2022 nahmen die deutschen und polnischen Ermittlerinnen und Ermittler bei den Action Weeks insgesamt 26 Personen auf frischer Tat fest, die in verschiedenen Formen an der Umsetzung von Enkeltricktaten beteiligt waren. Durch die Maßnahmen gelang es dabei, im vergangenen Jahr 100 Taten und einen Schaden von etwa 3,5 Millionen Euro zu verhindern – davon allein in Berlin mehr als 1,2 Millionen Euro.
Auf Grundlage der Erkenntnisse und Erfolge dieser länderübergreifend koordinierten polizeilichen Maßnahmen hat das Fachkommissariat des LKA Berlin ein vorläufiges Ermittlungskonzept erarbeitet, das den teilnehmenden Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften nun bei der Konferenz in Potsdam vorgestellt wurde. In Vorträgen und Arbeitsgruppen wurden die dabei angewandten Vorgehensweisen erörtert und mit den Methoden aus anderen Bundesländern und Ländern verglichen. Im Rahmen weiterer, gemeinsam abgestimmter Actions Weeks sollen in den kommenden Monaten zusätzliche Erfahrungen gesammelt und diese dann bei einer Fachkonferenz im nächsten Jahr ausgewertet werden. Ziel ist es, den bereits vorliegenden Entwurf des Ermittlungskonzeptes aus Berlin mit erfolgreichen Methoden aus anderen Ländern und Bundesländern so zu kombinieren und in Einklang zu bringen, dass daraus am Projektende bestenfalls eine gemeinsame europäische Ermittlungsstrategie gegen
den Enkeltrick steht, die alle beteiligten Institutionen zusammen erfolgreich anwenden können.
„Die Polizei Berlin arbeitet seit vielen Jahren eng und vertrauensvoll mit der Polizei der Republik Polen zusammen, auch grenzüberschreitend. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir erfolgreich sind, wenn wir wichtige Informationen austauschen, vorhandene Technik teilen, gemeinsame operative Maßnahmen durchführen und einheitliche Standards und Abläufe definieren und festlegen. Denn nur, wenn wir unsere Ressourcen bündeln, können wir noch zielgerichteter gegen die Tätergruppierungen vorgehen. Mit unserem Ermittlungskonzept wollen wir kriminelle Netzwerke erhellen, wollen nicht nur einzelne, sondern alle Tätergruppen zerschlagen. Und weil diese europaweit – auch weltweit – agieren, ist das nur im europäischen Schulterschluss von Polizei und Justiz möglich.“
von der Abteilung für Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA BW) ist sehr erfreut über den bewilligten Zuschuss der EU für ISF LUMEN: „Es erfüllt uns mit Stolz, dass die Projektleitung beim LKA Baden-Württemberg liegt und dass wir nun gemeinsam starten können. Für das Teilprojekt ‚Straftaten gegen Ältere Menschen’ hätten wir uns keinen besseren Partner als das Landeskriminalamt Berlin wünschen können. Mit ihrer langjährigen Erfahrung, ihren Kontakten, insbesondere zu den Polizeibehörden in Polen, sind unsere Berliner Kolleginnen und Kollegen die idealen Teilprojektleiter für dieses Deliktsfeld“, so Arne Hermann. Die Bekämpfung des Deliktsbereichs Straftaten gegen Ältere Menschen ist mit einem Gesamtprojektvolumen von rund 430.000 Euro das größte der
Teilprojekte in ISF LUMEN. „International organisierte Kriminelle kennen keine Grenzen. Umso wichtiger ist es, auf eine unkomplizierte Kooperation mit starken Partnern wie der Polizei Berlin zählen zu können“, ergänzt Hermann.