Fast alle drei Tage ein sichergestelltes Fahrzeug: Die Polizei Dortmund bleibt dran im Kampf gegen die Raser-, Poser- und illegale Tuningszene
Lfd. Nr.: 0210
Eine eigentlich normale Nacht in der Dortmunder Innenstadt am Südwall/Ecke Ruhrallee, von Montag auf Dienstag (20. Februar). Draußen herrschen recht milde Temperaturen, an einer roten Ampel stehen zwei Autos: ein BMW und ein Renault. Die Fahrer unterhalten sich bei geöffnetem Fenster. Dann wird die Ampel grün - und die Männer rasen los. Fast 100 Stundenkilometer, dort, wo 30 km/h erlaubt sind. Ohne Rücksicht auf Verluste. Die Fahrweise ist hochriskant, die Männer sind meist unbelehrbar und agieren höchst leichtfertig.
Eine Streifenwagenbesetzung der Polizei Dortmund kann dieses illegale Kraftfahrzeugrennen glücklicherweise schnell stoppen - am Ostwall ist Endstation. Die Autos, die Handys: sichergestellt. Und im Fußraum wartete auf die Polizeibeamten noch eine ganz besondere Überraschung. Doch dazu später mehr.
Nicht nur in dem eben beschriebenen Fall ermittelt die Polizei Dortmund nun nach dem seit Herbst 2017 im Strafgesetzbuch existierenden § 315d, sondern leitete diese Ermittlungen im gesamten Jahr 2023 bei insgesamt 128 Delikten ein. All' diese Taten werden als illegales Kraftfahrzeugrennen eingestuft, derer 30 endeten im vergangenen Jahr mit einem Verkehrsunfall - teils mit erheblichen Folgen.
"Wir haben im Kampf gegen die Raser-, Poser- und illegale Tuningszene zwar schon viel erreicht", sagt Polizeipräsident Gregor Lange zur Bilanz des vergangenen Jahres: "Allerdings ist und bleibt jedes Rennen eines zu viel. Das extreme Risiko der stark überhöhten Geschwindigkeit und waghalsigen Fahrmanöver kann einen jeden Menschen zum Zufallsopfer machen. Das wollen wir auch weiterhin verhindern."
Nach Ausbruch der Corona-Pandemie waren insbesondere die Poser und Tuner diejenigen, die auf dem Dortmunder Wall große Probleme machten, mitunter zu Hunderten in nur einer Nacht. Lautes Aufheulen der Motoren, lange Staus und Umweltverschmutzung mit Lärm, Licht und Müll waren die Folge. Darüber hinaus gab es auch immer wieder Rennen; natürlich meist dann, wenn es leerer war. "Wir haben das Phänomen zum behördenstrategischen Schwerpunkt gemacht, mit einem starken Personalansatz bekämpft und klar gemacht: Raser haben in Dortmund nichts zu suchen!", sagt Gregor Lange: "Ich kann allen Anwohnerinnen und Anwohnern versprechen: Wir werden auch in diesem Jahr mit allen vorhandenen Mitteln die Raserszene bekämpfen."
Fakt ist: Die Stadt Dortmund ist dank der akribischen Arbeit der Polizei für das entsprechende Raser-, Poser- und illegale Tuner-Klientel ein unattraktives Pflaster geworden. Ein Indiz dafür ist der konstant hohe Kontrolldruck, verbunden mit repressiven Maßnahmen, also auch mit zahlreichen Sicherstellungen und Beschlagnahmungen. 65 Führerscheine (2022: 37), 102 Fahrzeuge (56) und 120 Smartphones (45) hat die Polizei Dortmund allein im vergangenen Jahr aus dem Verkehr gezogen, darüber hinaus 20 Schwerpunkteinsätze auf die Beine gestellt.
Der Polizeipräsident: "Die Menschen fühlen sich zurecht gestört von der Respekt- und Rücksichtslosigkeit, die von der Szene ausgeht. Wir wissen, dass das Thema hoch emotional ist. Gerade mit Blick auf den Frühling, wenn es wieder länger hell bleibt, sind wir als Polizei Dortmund sehr wachsam und werden die vielen guten Schritte, die wir schon gemacht haben, weiter gehen."
Letztendlich geht es darum, mit dieser Strategie Todesfälle zu verhindern. Der Unfall eines 19-Jährigen, der mit seinem VW Golf GTI mit 150 statt 70 km/h auf der Emscherallee in Richtung Dortmund fuhr und die Kontrolle in Höhe der Kreuzung Ellinghauser Straße verlor, hätte potenziell tödlich enden können. Er kollidierte mit dem Opel Corsa eines 37-Jährigen und kam aufgrund der hohen Geschwindigkeit erst 200 Meter nach dem Kollisionsort zum Stillstand. Sein Fahrzeug war völlig zerfetzt. Es war reines Glück, dass hierbei niemand starb.
Ein ähnlicher Fall: Auf der A 2 bei Kamen wurden Mitte Mai 2023 drei Personen verletzt. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von 70.000 Euro. Beteiligt an dem mutmaßlichen illegalen Kraftfahrzeugrennen waren drei Fahrzeuge, deren Fahrer dabei die Kontrolle verloren. Die Polizeibeamten stellten damals drei Autos, sieben Handys und zwei Führerscheine sicher.
Und dann war da ja noch die "Überraschung" im Fußraum des an einem Rennen beteiligten Autos, die wir Ihnen am Anfang des Textes versprochen hatten. Die Polizeibeamten fanden dort eine Lachgas-Flasche. "Wir sehen das in den letzten Monaten immer häufiger", sagt Ralf Ziegler, Leiter der Direktion Verkehr: "Und das ist ein extrem gefährliches Phänomen." Nach Lachgas-Konsum können Menschen in Rauschzustände abdriften, stark benebelt sein, halluzinieren. Wenn jemand zeitlich oder räumlich nicht orientiert ist, glasige Augen oder sonstige Ausfallerscheinungen hat, werden wir Ermittlungsverfahren einleiten. Und dann ist auch der Führerschein in Gefahr."
In solchen Fällen wird auch ein Bericht an das Straßenverkehrsamt gefertigt, der die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs in Frage stellt. Hintergrund für diese Maßnahmen ist § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr), der sich nicht nur auf Alkohol bezieht, sondern auch auf andere berauschende Mittel. Darüber hinaus müssen Lachgasflaschen besonders gut gesichert werden. Verstöße sind sehr teuer. Die Bußgelder starten im mittleren dreistelligen Euro-Bereich, inklusive Punkte in Flensburg.
Polizeipräsident Gregor Lange: "Wir wissen, dass der überwiegende Teil aller Autofahrerinnen und Autofahrer großen Respekt vor dem Leben hat. Denjenigen aber, die rücksichtslos und respektlos agieren, werden wir auch in Zukunft mit großem Unverständnis und hohem Kontrolldruck entgegentreten."
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