Länderübergreifender Einsatz zur Bekämpfung des Enkeltricks
In den vergangenen Wochen sind Ermittlerinnen und Ermittler von Polizeifachdienststellen aus sechs europäischen Ländern in einem gemeinsamen Schwerpunkteinsatz gegen mutmaßliche Betrügerinnen und Betrüger vorgegangen, die mit Hilfe des sogenannten „Enkeltricks“ andere Menschen um ihr Erspartes bringen. Der Verbundeinsatz von Polizeibehörden aus allen 16 Bundesländern, des Bundeskriminalamts, Österreich, Polen, Schweiz, Slowakei und Tschechien sowie von Europol erfolgte im Auftrag der zuständigen Fachabteilungen der jeweils verantwortlichen Staatsanwaltschaften. Koordiniert und geführt wurden die Maßnahmen im Zeitraum vom 15. September bis 31. Oktober in sieben sogenannten „Action Weeks“ vom Landeskriminalamt Berlin – LKA 253 – in enger Abstimmung mit der für die Verfolgung von gewerbs- und bandenmäßigen Enkeltrick-Betrugstaten zuständigen Abteilung 285 der Staatsanwaltschaft Berlin.
Dieser Schwerpunkteinsatz stellt bereits den vierten länderübergreifenden Einsatz zu diesem Phänomen seit November 2023 dar.
Insgesamt nahmen die Strafverfolgungsbehörden 16 Personen vorläufig fest, die mutmaßlich an der Begehung von Enkeltricktaten beteiligt waren. Darunter waren eine Anruferin im Alter von 26 und drei Anrufer im Alter von 24, 25 und 49 Jahren sowie zwölf Abholer im Alter von 22 bis 63 Jahren der hochgradig organisierten Banden. Das konsequente gemeinsame Vorgehen führte dazu, dass in Frankfurt am Main, in Österreich sowie in Polen insgesamt drei mögliche Callcenter zerschlagen und damit ein erheblicher Teil der Infrastruktur zur Begehung dieser Betrugsstraftaten nachhaltig unschädlich gemacht werden konnte.
Gemeinsam gelang es den Einsatzkräften, 44 Enkeltricktaten und damit einen Schaden von 2.007.330 Euro zu verhindern.
Um an das Geld ihrer Opfer zu gelangen, setzen die anrufenden Tatverdächtigen (sogenannte „Keiler“) insbesondere darauf, die von ihnen angerufenen Personen – zumeist ältere Menschen – in eine Schocksituation zu bringen und diese durch eine geschickte Gesprächsführung aufrechtzuerhalten. Dafür bedienen sich die Anrufenden einer Legende, besonders häufig dieser: Weinend und mit verstellter Stimme geben sie sich am Telefon als Sohn oder Tochter der angerufenen Person aus und behaupten, bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet zu haben. Anschließend übernimmt ein angeblicher Polizeibeamter oder ein angeblicher Staatsanwalt das Gespräch und behauptet, dass nur durch die Zahlung einer hohen Kaution die Inhaftierung von Sohn oder Tochter verhindert werden könne.
Mitunter rufen die falschen Polizisten und Staatsanwälte sogar gemeinsam an, um sich noch dramaturgisch steigern zu können: Dann präsentiert der angebliche Staatsanwalt als letzten Rettungsanker für die angeblich festgenommenen Kinder oder Enkel die Idee, den Richter mit einer hohen Kautionssumme überzeugen zu können.
Wie effektiv die europäischen Strafverfolgungsbehörden beim Thema Enkeltrick zusammenarbeiten, zeigte sich bereits am 4. Juli 2025 und damit noch vor dem Start der eigentlichen „Action Weeks“, als es den Ermittlerinnen und Ermittlern gelang, ein mutmaßliches Callcenter in Frankfurt am Main zu lokalisieren und zu durchsuchen.
In enger Zusammenarbeit zwischen den beteiligten slowakischen Ermittlungsbehörden sowie dem Polizeipräsidium Frankfurt am Main und der Krimininalpolizeidirektion Dresden unter Sachleitung der Eingreifreserve der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main wurde bekannt, dass eine 26-jährige slowakische Staatsbürgerin aus einer Wohnung im Stadtgebiet Frankfurt am Main heraus als Anruferin Telefonbetrugstaten in der Slowakei begangen haben soll. Der Modus Operandi bestand in diesem Fall darin, sich am Telefon als Polizeibeamtin oder Bankmitarbeiterin auszugeben und die Geschädigten davon zu überzeugen, dass deren Geld auf den Bankkonten nicht mehr sicher sei. In Folge dessen wurden die Geschädigten angewiesen, sämtliches Geld von ihrer Bank zu holen und an einen vermeintlichen Polizeibeamten auszuhändigen.
Bei den sich anschließenden Durchsuchungsmaßnahmen konnten diverse Mobiltelefone, SIM-Karten und eine Rolex-Uhr sichergestellt und die Anruferin vorläufig festgenommen werden.
Die weiteren Ermittlungen und Auswertungen der sicherstellten Beweismittel dauern an.
Am 26. September 2025 wurde ein weiteres Callcenter in der polnischen Hauptstadt Warschau zerschlagen.
Aufgrund von Erkenntnissen aus Ermittlungen der polnischen Kriminalpolizei traf die Kriminalpolizei Trier unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft Trier über längere Zeit in intensiver Zusammenarbeit mit den Warschauer Ermittlungsbehörden und dem LKA Berlin entsprechende Ermittlungsmaßnahmen gegen ein in der polnischen Hauptstadt ansässiges Callcenter. Auf diese Weise wurden zwölf Straftaten, die aus Polen heraus in der Bundesrepublik begangenen wurden, dokumentiert und die Übergabe von Bargeld oder Wertgegenständen in allen Fällen verhindert.
Am 26. September 2025 hatten es die Betrüger aus dem Warschauer Callcenter auf eine 81-jährige Frau aus Winnenden abgesehen. Als diese nach vorangegangenem Schockanruf zur Übergabe von Geld aufgefordert wurde und der Abholer vor Ort erschien, nahmen Beamte der Kriminalpolizei Waiblingen den 29-jährigen, polnischen Abholer vorläufig fest.
Laut Angaben der polnischen Polizei durchsuchten polnische Ermittler zeitgleich das Callcenter in Warschau und nahmen dort zwei Männer im Alter von 49 und 24 Jahren vorläufig fest. Bei der Durchsuchung wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, darunter ein deutsches Telefonbuch, digitale Beweismittel wie Laptops und Mobiltelefone, Markenuhren im Wert von etwa 400.000 Złoty (knapp 94.000 Euro) sowie Schmuck, Kokain und Marihuana.
Im weiteren Verlauf der Ermittlungen wurden die polnischen Behörden vor Ort zeitweise durch zwei Beamte der Trierer Kriminalpolizei unterstützt. Die Pressemitteilung mit Fotos der polnischen Polizei (in polnischer Sprache) findet sich hier.
Die beiden in Polen festgenommenen Männer wurden in Warschau, der 29-jährige Abholer am 27. September 2025 in Deutschland, auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart, beim Amtsgericht Waiblingen richterlich vorgeführt. Gegen alle drei Tatverdächtigen wurde die Untersuchungshaft angeordnet. Das Verfahren gegen die in Polen festgenommenen Männer wird von der polnischen Justiz geführt, das Verfahren gegen den in Winnenden festgenommenen Mann von der Staatsanwaltschaft Stuttgart.
In enger Zusammenarbeit zwischen den beteiligten slowakischen und österreichischen Ermittlungsbehörden wurde bekannt, dass ein 25-jähriger slowakischer Staatsbürger aus einer Wohnung im Wiener Stadtgebiet heraus in der Eigenschaft als Anrufer eine Vielzahl an Telefonbetrugstaten in der Slowakei beging. Bei den sich anschließenden Durchsuchungsmaßnahmen wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, das höchstwahrscheinlich zur Aufklärung weiterer Straftaten führen wird.
Ebenso dauern die Auswertungen der bei dem Gesamteinsatz sichergestellten Beweismittel und die weiteren Ermittlungen an. Bei ähnlichen Einsätzen konnten daraus in der Regel weiterführende Erkenntnisse gewonnen werden, die zur Aufklärung zahlreicher weiterer Enkeltricktaten in den beteiligten und anderen Ländern führten.
Finanziert wurde der internationale Verbundeinsatz zu einem wesentlichen Teil durch das von der EU geförderte und unter Federführung des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg stehende Projekt ISF-LUMEN (mehr zu LUMEN hier).
Einen LUMEN-Teilbereich, der sich der europaweiten Bekämpfung des Enkeltrickbetruges widmet, verantwortet das Landeskriminalamt Berlin (LKA 253). Es organisierte im Oktober 2023, September 2024 und Juni 2025 drei Konferenzen in Potsdam und Teltow, bei denen Vertreterinnen und Vertreter von Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden aus Deutschland und Europa ihr gemeinsames Vorgehen zur Bekämpfung des Enkeltrickbetruges abstimmten. Zu den verabredeten Maßnahmen gehört unter anderem das regelmäßige Durchführen von „Action Weeks“.
Eine „scheinbar“ bekannte Rufnummer reicht zur Identifizierung eines Anrufers nicht aus. Wenn Zweifel an der Echtheit des Anrufes bestehen, sollte die im Telefondisplay angezeigte Rufnummer notiert werden. Der Anruf sollte anschließend beendet werden und der oder die Angerufene sollte selbst die Polizei unter der 110 anrufen.
Eine „Kaution“ zur Abwendung einer (Untersuchungs-)Haft gibt es in Deutschland nicht, sondern nur die Möglichkeit einer Haftverschonung gegen eine entsprechende Sicherheitsleistung. Sollten die Angerufenen das Wort Kaution im Gesprächsverlauf vernehmen, so können sie sicher sein, dass es sich bei dem Anruf um einen Betrugsversuch handelt.
Bereits im Vorfeld kann mit Verwandten und Angehörigen (gegebenenfalls auch Freunden) ein Codewort vereinbart werden, das nur der involvierte Personenkreis kennt. Dieses Wort kann genutzt werden, um zu verifizieren, dass es sich beispielsweise bei der vermeintlichen Tochter auch tatsächlich um die eigene Verwandte handelt.
Gegebenenfalls kann man sich aus dem Telefonbuch streichen lassen, sodass der Name und die Telefonnummer nicht öffentlich einsehbar sind. Dies erscheint insbesondere sinnvoll, wenn man einen sehr generationentypischen Vornamen trägt, der Rückschluss auf das Alter zulässt.
Pressearbeit und Erreichbarkeit