Polizeiliche Kriminalstatistik des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West 2021
Im Rahmen einer Pressekonferenz stellten Polizeipräsidentin Dr. Claudia Strößner und Leitender Kriminaldirektor Michael Haber heute die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West für das Jahr 2021 vor.
„Wir konnten im Jahr 2021 die niedrigsten Fallzahlen und zugleich die höchste Aufklärungsquote seit Bestehen des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West verzeichnen. Zwar erscheint ein Rückgang der Fallzahlen im Zusammenhang mit der Coronapandemie naheliegend, jedoch zeugt die hohe Aufklärungsquote von über 74 Prozent von einem besonderen Engagement der im Polizeipräsidium Schwaben Süd/West tätigen Polizeibeamtinnen und –beamten“, resümiert Polizeipräsidentin Dr. Strößner.
Allgemeine Kriminalitätslage
Niedrigste Fallzahlen und höchste Aufklärungsquote
Im Jahr 2021 registrierte das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West 35.235 Straftaten und damit im Vergleich zum Jahr 2020 einen Rückgang der Fallzahlen um 11,1 Prozent. Seit Gründung des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West im Jahr 2008 stellt dies den niedrigsten Stand dar. Bereinigt um die Taten, die nur von Nichtdeutschen begangen werden können (beispielsweise Verstöße gegen das Aufenthalts- und Asylgesetz), konnten 32.301 Delikte und somit eine Abnahme um 10,9 Prozent festgestellt werden.
Die Häufigkeitszahl (HZ) ist der Gradmesser für die Sicherheitslage einer Region und errechnet sich aus der Zahl der bekannt gewordenen Straftaten pro 100.000 Einwohner. Sie beschreibt, wie groß die Gefahr ist, Opfer einer Straftat zu werden und lässt einen direkten Vergleich mit anderen Regionen zu. 2021 sank die Häufigkeitszahl im Vergleich zum Jahr 2020 (4.026) um 11,4 Prozent und damit auf ein Allzeittief von 3.568. Bereinigt sank die HZ von 3.684 um 11,2 Prozent auf 3.271 noch deutlich unter dem Durchschnitt in Bayern.
„Im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West leben die Menschen -statistisch gesehen- so sicher wie noch nie. Der im Bundesvergleich bereits gute Wert Bayerns konnte nochmals übertroffen werden“, betonte Frau Dr. Strößner.
Die Aufklärungsquote (AQ) spiegelt die Ermittlungserfolge der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten wieder. Von bereits hervorragenden 74 Prozent im letzten Jahr, konnte die AQ noch einmal auf 74,2 Prozent gesteigert werden (Bayern 2021: 69,0 Prozent, Bund 2020: 58,4 Prozent). Auch bei den bereinigten Zahlen belegt die AQ einen neuen Spitzenwert (71,9 Prozent).
„In vielen Fällen führten auch Hinweise von Privatpersonen zur Ermittlung von Tatverdächtigen“, bedankt sich Frau Dr. Strößner bei der Bevölkerung.
88,5 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen sind Erwachsene über 18 Jahre. 40,7 Prozent sind Nichtdeutsche. Hierunter fallen alle Ausländer, auch die Zuwanderer. Bereinigt man diese Zahl um die ausländerrechtlichen Verstöße, sind 31,4 Prozent aller Tatverdächtigen Nichtdeutsche. Dabei ist zu berücksichtigen, dass darunter auch Urlauber, ausländische Arbeitskräfte, Durchreisende usw. enthalten sind. Also nicht nur Ausländer, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben. 76,3 Prozent der Tatverdächtigen sind Männer.
Starker Rückgang in einzelnen Deliktsbereichen
Ein Rückgang der Fallzahlen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erscheint wahrscheinlich. Insbesondere Deliktsgruppen mit Tatorten, die regelmäßig in der Öffentlichkeit liegen und/oder als Tatgelegenheit ein normales gesellschaftliches und kulturelles Leben benötigen.
„Die Fallzahlen sind sehr erfreulich, uns ist aber bewusst dass die Zeit nach der Corona-Pandemie in manchen Bereichen wieder steigende Fallzahlen erwarten lässt“, so die Präsidentin.
Michael Haber erläuterte die Entwicklungen in einzelnen Deliktsbereichen und erklärte Zusammenhänge mit der Corona-Pandemie.
Straßenkriminalität
Im Bereich Straßenkriminalität ist die Anzahl der Straftaten gegenüber dem Vorjahr von 5.510 auf 4.542 Fälle (-17,6 Prozent) gesunken. Einen großen Anteil haben Delikte der Sachbeschädigung, insbesondere an Kfz, und des Straßendiebstahls. Hier sticht vor allem der Fahrraddiebstahl hervor. Die Aufklärungsquote ist im Bereich der Straßenkriminalität mit 24,4 % unterdurchschnittlich. Im Gegensatz zu den Delikten der Gewaltkriminalität, bei denen oft eine formelle/informelle Vorbeziehung besteht, mangelt es bei der Straßenkriminalität häufig an einer Täter-Opfer-Beziehung.
Gewaltkriminalität
Zur Gewaltkriminalität zählen Straftaten aus verschiedenen Deliktsbereichen, deren Gemeinsamkeit eine besondere Gewaltbereitschaft der Täter ist. Sie umfasst u.a. die Delikte Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Raubdelikte sowie gefährliche und schwere Körperverletzung. Der Anteil an der Gesamtkriminalität liegt bei 3,1 Prozent. Die Straftaten sanken von 1.480 auf 1.103 Delikte (- 25,5 Prozent). Den größten Anteil im Bereich der Gewaltkriminalität nehmen mit 80,8 Prozent die gefährliche und die schwere Körperverletzung ein. Im Verhältnis zur Gesamtkriminalität stellen diese beiden Körperverletzungsdelikte einen Anteil von 2,5 Prozent dar.
„Die Aufklärungsquote ist bei Gewaltkriminalität mit über 90 Prozent überdurchschnittlich hoch“, sagt Michael Haber. „In den meisten Fällen haben Opfer und Täter eine gemeinsame Vorbeziehung“.
Alkoholisierung spielt bei den Körperverletzungsdelikten eine große Rolle. „Ausgangsbeschränkungen, die Schließung von Gaststätten, Clubs und Veranstaltungen führten dazu, dass Gewaltstraftaten unter Alkoholeinfluss wie Körperverletzungen und Totschlag um die Hälfte zurückgegangen sind.“, so der Leitende Kriminaldirektor.
Eigentumskriminalität
Der Deliktsbereich Eigentumskriminalität ging um 15,5 Prozent (-1.168 Fälle) erneut zurück. Auch hier bedeutet dies die niedrigsten Fallzahlen seit Bestehen des Polizeipräsidiums.
Dieser Trend spiegelt sich auch bei den Wohnungseinbruchdiebstählen (WED) wieder. Seit einem Höchststand im Jahr 2016 (503 Fälle) geht der Trend stark nach unten. So registrierte die Polizei im vergangenen Jahr 114 WED (2019: 273 Fälle, 2020: 208 Fälle). Auch in diesem Bereich ist anzunehmen, dass die Corona-Pandemie wegen Lockdowns und eingeschränkter Reisebewegungen Einfluss auf die Anzahl der Taten hatte.
58 Wohnungseinbruchdiebstähle blieben beim Versuch.
„Dies ist zum Großteil der Aufmerksamkeit und Zivilcourage von Zeuginnen und Zeugen, aber auch wirksamer Sicherungstechnik zu verdanken“, meint Haber.
Straftaten mit Tatmittel Internet
Internet-Straftaten nehmen kontinuierlich zu. Der Deliktsbereich umfasst alle Delikte, zu deren Tatbestandsverwirklichung das Medium Internet und/oder IT-Geräte als Tatmittel verwendet werden. Die Zunahme der Fallzahlen mit Tatmittel Internet folgte auch im Jahr 2021 dem jahrelangen Trend nach oben (1.316 Taten, +10,9 Prozent). Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Tatortstatistik. Insofern werden nur Taten abgebildet, die im Bereich des PP Schwaben Süd/West verübt wurden. Gerade in diesem Deliktsbereich agieren viele Tatverdächtige im Ausland und werden deshalb von der PKS nicht erfasst.
Ermittlungen bei Internetstraftaten sind oftmals sehr zeitaufwändig und erfordern spezielle Fachkenntnis. Deshalb bearbeiten komplexe Fälle besonders ausgebildete Beamtinnen und Beamte in eigens gegründeten Cybercrime-Kommissariaten bei den Kriminaldienststellen in Kempten, Memmingen und Neu-Ulm. Unterstützt werden sie dabei von Quereinsteigern aus der Informatik.
Die häufigsten Straftaten im Internet sind Besitz/Verbreitung pornografischer Schriften, der Waren- und Warenkreditbetrug und Beleidigungen sowie Bedrohungen.
Rauschgiftkriminalität
Der Deliktsbereich Rauschgiftdelikte umfasst all jene Delikte, die den verbotenen Umgang mit Rauschmitteln betreffen. Im Vergleich zum Jahr 2020 (3.599 Delikte) sanken die Fallzahlen auf 3.248 Delikte. Die Anzahl von 10 Rauschgifttoten stellt den tiefsten Wert seit dem Jahr 2012 dar.
„Wir gehen nicht davon aus, dass die Rauschgiftkriminalität tatsächlich abgenommen hat. Der Rückgang der Fallzahlen bei diesen reinen Kontrolldelikten hängt sicher auch mit den Ausgangsbeschränkungen, der Schließung von Clubs, Diskotheken und öffentlichen Veranstaltungen zusammen“, führt Haber aus.
Dennoch stellten die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in Schwaben Süd/West auch im vergangenen Jahr wieder bei Einzelaufgriffen Rauschgift im Kilobereich sicher. Allein bei neun Großsicherstellungen im Bereich des Grenztunnels Füssen fanden Schleierfahnder 56 kg Kokain, 15 kg Heroin und 3 kg Marihuana.
Den größten Anteil an allen Betäubungsmittelaufgriffen im Präsidiumsbereich bildeten mit 67,3 Prozent Cannabisprodukte, gefolgt von Amphetamin (14,4 Prozent) und Kokain/Crack (5,9 Prozent), sowie Heroin (2,9 Prozent). Jugendliche und Heranwachsende sind mit einem Anteil von 29,4 Prozent bei den Rauschgiftdelikten deutlich überproportional vertreten.
Sexualstraftaten
Auch im Jahr 2021 ist die negative Entwicklung bei den Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (+26,4 Prozent) auffällig. Der Anstieg kann beinahe vollständig auf die Zunahme der Delikte „Verbreitung pornografischer Schriften“ zurückgeführt werden.
Dabei handelt es sich überwiegend um die unreflektierte Nutzung von mobilen Endgeräten in Zusammenhang mit jugendtypischen Entwicklungen (Gruppenzwang, Pubertät, wie auch leichte Verfügbarkeit). Dies wird auch aus der Altersverteilung der Tatverdächtigen ersichtlich. Liegt der Tatverdächtigen-Anteil in der Gesamtkriminalität von Kindern bei 3,5 Prozent und bei Jugendlichen bei 8 Prozent, wandelt sich das im Bereich des Verbreitens, Erwerb etc. von kinderpornografischen Schriften zu 13,9 Prozent (Kinder) und 35,1 Prozent (Jugendliche)
„Es ist wichtig, dass Erziehungsberechtigte mit ihren Kindern über das Thema sprechen“, rät Michael Haber: „Zeigen Sie Interesse am Medienverhalten ihres Kindes. Eine gute Hilfe bietet dabei ein Mediennutzungsvertrag zwischen Eltern und Kindern“. (www.mediennutzungsvertrag.de)
Positiv ist die Entwicklung beim Delikt Vergewaltigung. Die Fallzahlen gingen von 101 auf 86 (-14,9 Prozent) zurück. Bei mehr als 2/3 aller Fälle bestand eine formelle/informelle Vorbeziehung zwischen Opfer und Täter. Die Gefahr, von einem Unbekannten vergewaltigt zu werden, ist im hiesigen Schutzbereich niedrig.
Perfide Betrugsmaschen und hoher Beuteschaden | Neues Präventionskonzept bei Callcenterbetrug
Ein Deliktsbereich, der die Polizei nach wie vor sehr beschäftigt, ist der Callcenterbetrug. Deshalb rückte Polizeipräsidentin Dr. Claudia Strößner dieses Kriminalitätsphänomen in den Mittelpunkt.
Beim Callcenterbetrug (CCB) tätigen organisierte Banden von im Ausland eingerichteten Callcentern aus tausendfache Anrufe bei potentiellen Betrugsopfern. Hauptsächlich Seniorinnen und Senioren stehen im Fokus der Trickbetrüger. Unter Verwendung unterschiedlicher Sachverhalte versuchen sie die Angerufenen dazu zu überreden, große Bargeldsummen, Schmuck oder Edelmetalle herauszugeben.
„Wir haben Einbrecher festgenommen!“
„Hallo ich bin‘ s, Dein Enkel! Kennst Du mich noch?“
„Ihr Sohn hat einen tödlichen Unfall gehabt“
„Sie haben gewonnen“
So oder ähnlich melden sich die Betrüger bei ihren potentiellen Opfern. „Die Maschen der Betrüger wechseln, ein Rückgang der Fallzahlen ist aber nicht zu verzeichnen. Wenngleich die Trickbetrüger mittlerweile öfters anrufen müssen, verursachen sie in Einzelfällen Beuteschäden bis in den fünfstelligen Eurobereich“, stellt die Präsidentin fest.
Bei den drei häufigsten Maschen „Enkeltrick/Schockanruf“, „Vortäuschen von Gewinnen“ und „Falsche Amtsträger“ erbeuteten Betrüger fast 900.000 Euro. Besonders oft gaben sie sich als „Falsche Enkel“ zu erkennen oder täuschten den lange erhofften Lotteriegewinn vor. Als „Falsche Polizeibeamte“ traten sie in sechs erfolgreichen Fällen auf, verursachten aber in diesen wenigen Fällen mehr als 340.000 Euro Beuteschaden.
Neue Brennpunktprävention sensibilisiert das soziale Umfeld der potentiellen Opfer
„Wir haben gemerkt, dass Präventionsarbeit gerade bei diesen Straftaten an Grenzen stößt. Obwohl das Thema in den Medien sehr präsent ist, gelingt es Tätern immer wieder, Menschen zur Herausgabe von Geld und Wertgegenständen zu bewegen“, resümiert Strößner.
Eine im Frühjahr 2021 beim Polizeipräsidium Schwaben Süd/West gestartete Präventionskampagne alarmiert nun das Umfeld der vulnerablen Gruppe. Sobald Anrufbetrüger eine Region ins Visier nehmen und mit Anrufen überziehen, warnen die örtlichen Dienststellen primär Banken, Taxiunternehmer, Pflegeeinrichtungen und sekundär auch weitere Institutionen.
„Damit versuchen wir auch Personen im nahen sozialen Umfeld von Seniorinnen und Senioren zu sensibilisieren. In nicht wenigen Fällen verhinderten in der Vergangenheit bereits Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Banken oder Taxiunternehmen einen Betrug, es blieb beim Versuch und Menschen wurden vor teils hohem finanziellem Schaden bewahrt.“, so die Präsidentin.
Beispielhafte Bezugsmeldungen:
Die Bayerische Polizei - Leerer Handy Akku verhindert Callcenter Trickbetrug (bayern.de)
Die Bayerische Polizei - Kreuzworträtsel mit Folgen | Bankmitarbeiterin verhindert geistesgegenwärtig weitere Zahlungen an die Anrufbetrüger (bayern.de)
„Gesundes Misstrauen ist keine Unhöflichkeit. Seien Sie am Telefon skeptisch und lassen Sie sich nicht unter Druck setzen“, rät Strößner.
Detaillierte Informationen zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2021 des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, insbesondere auch landkreisbezogene Zahlen, können dem Sicherheitsbericht entnommen werden.
(PP Schwaben Süd/West, 16.03.2022, 12:30 Uhr, DG)
Medienkontakt:
Pressestelle beim Polizeipräsidium Schwaben Süd/West, D-87439 Kempten (Allgäu),
Rufnummer (+49) 0831 9909-0 (-1012/ -1013).