Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) des Polizeipräsidiums Reutlingen für das Jahr 2022
Kriminalitätsbelastung im Präsidiumsbereich erneut
weit unter Landesschnitt - Gesamtzahl der Straftaten trotz deutlichem Anstieg auf zweitniedrigstem Stand der vergangenen 20 Jahre
Die Kriminalitätsbelastung im Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen liegt mit 3.991 Straftaten pro 100.000 Einwohner (2021: 3.547) um 12,5 Prozent über dem Wert des Vorjahres. Sie befindet sich dennoch markant unter dem landesweiten Durchschnitt (BW: 4.944) und weiterhin unter dem Niveau der Jahre vor der Corona-Pandemie.
Im vergangenen Jahr registrierte das Polizeipräsidium Reutlingen 49.564 Straftaten, das entspricht einem deutlichen Anstieg von 12,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2021: 43.957). Verantwortlich hierfür sind insbesondere enorme Zuwächse bei den Diebstahlsdelikten und Straftaten im öffentlichen Raum, die sich infolge auslaufender Corona-Restriktionen und einer Normalisierung des öffentlichen Lebens einstellten. Die Anzahl der insgesamt erfassten Straftaten liegt dennoch auf dem zweitniedrigsten Stand der letzten 20 Jahre und weit unter den Fallzahlen der Jahre vor Corona. Die Aufklärungsquote verringerte sich um 2,7 Punkte auf 61 Prozent (2021: 63,7).
Die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen ist im vergangenen Jahr um 12,2 Prozent auf insgesamt 23.133 (2021: 20.614) gestiegen. Damit wurde in etwa das Niveau der Jahre vor der Pandemie erreicht. Der Zuwachs erstreckt sich hierbei auf alle Altersgruppen, jedoch war insbesondere bei den tatverdächtigen Kindern eine Steigerung um 27,8 Prozent auf 1.112 (2021: 870) zu verzeichnen.
Im vergangenen Jahr nahm die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen mit 9.795 (2021: 8.056) zu. Dieser Wert bewegt sich in etwa im Bereich des Jahres 2019. Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen erhöhte sich leicht auf 42,3 Prozent (2021: 39,1). Ohne die Verstöße gegen das Aufenthalts-, Asylgesetz oder Freizügigkeitsgesetz EU, die fast ausschließlich nur von Ausländern begangen werden können, liegt die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen bei 8.186 und damit bei 38 Prozent.
Auch die Zahlen der tatverdächtigen Asylbewerber bzw. Flüchtlinge (ohne Verstöße gegen das Aufenthalts-, Asylgesetz bzw. dem Freizügigkeitsgesetz EU) stiegen an. Deren Zahl erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich um 14,2 Prozent auf insgesamt 1.766 (2021: 1.546). Dies entspricht einem Anteil von 8,2 Prozent aller Tatverdächtigen (2021: 7,9).
Die insgesamt deutlichen Zuwächse bei den Straftaten und Tatverdächtigen sowie bei der Kriminalitätsbelastung können überwiegend auf das Ende der pandemischen Einschränkungen ab Mitte des Jahres 2022 zurückgeführt werden. Mit wiedereinsetzendem Reiseverkehr, dem Wegfall von Kontaktbeschränkungen sowie der Öffnung von Geschäften, Gastronomie und Freizeiteinrichtungen ergaben sich wieder vielerlei Gelegenheiten für Tatbegehungen.
Beim Wohnungseinbruchsdiebstahl ist ein Anstieg der Fallzahlen um 14,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Mit insgesamt 371 Wohnungseinbrüchen (2021: 323) war dies aber die zweitniedrigste Fallzahl seit 20 Jahren. In 43,7 Prozent aller Fälle blieb es beim Einbruchsversuch. "Dieser insgesamt positive Trend ist ein Beleg dafür, dass unsere Bekämpfungsstrategie langfristig wirkt. Neben repressiven Maßnahmen sind auch präventive Aspekte für den effektiven Einbruchsschutz zentral: Aufmerksame Nachbarn, verschlossene Fenster und ein technisch gut gesichertes Wohngebäude können bereits einen Einbruch verhindern. Deshalb klärt unsere Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle weiterhin über mögliche Risikofaktoren auf und bietet hierzu kostenlose Beratungen an", betont Polizeipräsident Udo Vogel.
Bei den Straftaten gegen das Leben wurden 2022 mit 49 Fällen gleich viele Delikte wie im Jahr zuvor verzeichnet. Die Aufklärungsquote erhöhte sich nochmals um zwei Punkte und erreichte mit 100 Prozent den höchstmöglichen Wert.
Wenngleich sich die Straftaten im öffentlichen Raum im Jahr 2022 um 14,9 Prozent erhöhten, liegt die Gesamtzahl dieser Delikte mit 19.747 (2021: 17.187) noch signifikant unter denen der Jahre vor der Pandemie. Die deutlichsten Anstiege ergaben sich mit jeweils über 20 Prozentpunkten bei Diebstahlsdelikten, Bedrohungen, Nachstellungen und Delikten, die in strafrechtlichen Nebengesetzen geregelt sind. Rückgänge der Fallzahlen sind unter anderem bei Straftaten gegen das Leben (-11,1 Prozent), Sexualdelikten (-13,7 Prozent), tätlichen Angriffen (-3,4 Prozent) sowie Betrugstaten (-0,6 Prozent) zu verzeichnen. Polizeipräsident Vogel verdeutlicht: "Das Polizeipräsidium Reutlingen legt weiterhin einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung von Straftaten im öffentlichen Raum. Wir setzten hier nicht nur auf Polizeipräsenz und Kontrollen, sondern insbesondere auch auf Maßnahmen zur Gewaltprävention und Stärkung des Opferschutzes. Dazu sind unsere Präventionsexperten auf vielen Ebenen aktiv. Zudem arbeiten wir eng mit Kommunen, Behörden und anderen Stellen zusammen, um auf Grundlage passgenauer Konzepte die Sicherheit im öffentlichen Raum zu gewährleisten."
Messerangriffe im öffentlichen Raum beeinträchtigen das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung immens, insbesondere wenn die Opfer schwer oder tödlich verletzt werden. In den vergangenen drei Jahren kam es im Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen zu einer deutlichen Zunahme dieser Delikte. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Fallzahlen im Jahr 2022 mit 101 Straftaten um 42,3 Prozent an. Gleichwohl sind im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Reutlingen keine örtlichen Brennpunkte erkennbar.
Die ebenfalls das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stark beeinträchtigenden Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind im Vergleichszeitraum um insgesamt 7,4 Prozent auf nunmehr 1.114 Fälle angestiegen (2021: 1.037). Ein Großteil davon entfällt mit 517 Fällen bzw. 46,4 Prozent auf den Deliktsbereich der Verbreitung pornografischer Schriften, zu dem auch die Kinder- und Jugendpornografie gehört. Hier werden bei den Ermittlungen regelmäßig große Mengen an Beweismitteln sichergestellt, woraus sich oft ein Anfangsverdacht für weitere Ermittlungsverfahren ergibt.
Im Gegensatz zum Landestrend war im Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen 2022 ein Rückgang bei den Sexualstraftaten im öffentlichen Raum zu verzeichnen. Mit 196 erfassten Straftaten (2021: 227) wurde hier ein Fünfjahrestief erreicht. Auch im vergangenen Jahr stand der Bereich der sexualisierten Gewalt im Fokus polizeilicher Präventionsaktivitäten. Insbesondere zum Thema sexualisierte Gewalt gegen Kinder fanden Elternabende sowie Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher statt. Hierbei sind unsere Kolleginnen und Kollegen mit den Jugendämtern, dem Opferhilfeverein WEISSER RING e. V. sowie der Psychosozialen Prozess- und Zeugenbegleitung eng vernetzt. Weiterhin wurden zur Eindämmung der Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie durch Kinder und Jugendliche über soziale Medien zahlreiche Impulsvorträge im Rahmen von Elterninformationsabenden der Klassenstufen 5 und 6 gehalten.
Mit fortschreitender Vernetzung und Digitalisierung gewinnt das Kriminalitätsphänomen "Cybercrime" auch für die polizeiliche Arbeit immer mehr an Bedeutung. Im Jahr 2022 wurden 3.120 Straftaten (2021: 2.785) unter dem Sonderkenner "Cybercrime" erfasst. Damit stieg die Anzahl der Delikte um 335 Fälle bzw. 12 Prozent wieder in etwa auf das Vor-Corona-Niveau. Wiederholt stechen im Bereich Cybercrime die sogenannten "Ransomware"-Angriffe auf Firmen, Behörden und andere Institutionen heraus. Bei diesen Cyber-Attacken werden von den Tätern zunächst die IT-Systeme der jeweiligen Unternehmen verschlüsselt, um anschließend für die Entschlüsselung hohe Geldbeträge zu erpressen. "Insbesondere der Erfolg im Rahmen der Operation 'Dawnbreaker', bei der wir unter anderem mit der US-Justiz, dem FBI, Europol und dem BKA zusammengearbeitet haben, verdeutlicht, dass wir schlagkräftig gegen weltweit agierende Cyberkriminelle vorgehen und deren IT-Infrastruktur zerstören. Die Expertise unserer Spezialisten bei der Kriminalpolizei und ein Netzwerk mit hochprofessionellen Partnern sind dabei die Schlüssel zum Erfolg" so Polizeipräsident Vogel.
Trotz aller präventivpolizeilicher Bemühungen und regelmäßigen Warnmeldungen an die Bevölkerung gab es auch im Jahr 2022 einen markanten Anstieg um 510,8 Prozent bei vollendeten Delikten des sogenannten "Callcenter-/Telefonbetrugs". Bei 508 Taten (2021: 83) erbeuteten die Täter insgesamt über 3,8 Millionen Euro. Damit hat sich die Schadenssumme im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Neben dem rein materiellen Schaden sind die nicht seltenen psychischen und sozialen Belastungen, die mit dieser perfiden Kriminalitätsform einhergehen, nicht zu unterschätzen. Somit bildet das Themenfeld der betrügerischen Anrufe auch weiterhin einen Schwerpunkt polizeilicher (Präventions-)Arbeit.
Nachdem bereits 2021 ein Höchststand erreicht wurde, nahm die Anzahl der Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte um 9,3 Prozent auf 530 Fälle (2021: 485) im vergangenen Jahr erneut zu. Somit sind auch langfristig gesehen steigende Fallzahlen zu verzeichnen. 2022 wurden - wie bereits im Vorjahr - insgesamt 267 Polizistinnen und Polizisten verletzt, zwei davon schwer. Die häufigsten Verletzungen entstanden durch Schläge (61) und Tritte (41). Mit 58,3 Prozent stand der überwiegende Anteil der Täter unter Alkoholbeeinflussung, bei 15,9 Prozent konnte vorheriger Drogenkonsum nachgewiesen werden. Die Aufklärungsquote betrug im Jahr 2022 99,2 Prozent und lag damit geringfügig über dem Vorjahreswert (2021: 98,6). Polizeipräsident Vogel: "Bei Übergriffen auf unsere Kolleginnen und Kollegen, auf Rettungskräfte, Feuerwehrleute oder Ordnungsdienste handeln wir konsequent und bringen jeden Vorfall zur Anzeige. Wer sich für die Belange der Bürgerinnen und Bürger einsetzt, der verdient Respekt und Anerkennung, denn jeder kann irgendwann einmal selbst auf Hilfe angewiesen sein."
Ergänzende Information für die Redaktionen:
Der komplette Kriminalitätsbericht 2022 des Polizeipräsidiums Reutlingen ist auf der Homepage des Polizeipräsidiums unter dem Reiter "Statistik" (https://ppreutlingen.polizei-bw.de/statistiken/) abrufbar. Dort finden sich neben der präsidiumsweiten Kriminalitätsentwicklung auch die Statistikzahlen der einzelnen Landkreise (Esslingen, Reutlingen, Tübingen, Zollernalb) sowie einzelne ausgewählte Bereiche, die im Detail beleuchtet werden. (lj)
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